Rz. 104
Werden Zinsscheine oder Zinsforderungen nicht isoliert, sondern zusammen mit den zugehörigen Schuldverschreibungen oder Kapitalforderungen veräußert, und werden die bis zum Veräußerungszeitpunkt angefallenen Zinsen des laufenden Zinszahlungszeitraums dem Erwerber gesondert in Rechnung gestellt, gehören diese Zinseinnahmen beim Veräußerer nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung als Stückzinsen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Der Erwerber der Stückzinsen kann entsprechend negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend machen (§ 20 EStG n. F. Rz. 258ff.). Diese Stückzinsen unterliegen bei Zufluss bis zum 31.12.2008 auch dem als Zinsabschlag zu erhebenden Steuerabzug vom Kapitalertrag.
Rz. 104a
Stückzinsen aus Wandelanleihen sind nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung ausdrücklich vom Steuerabzug ausgenommen.
Rz. 104b
Wie Stückzinsen werden auch die Zwischengewinne aus in- und ausländischen Investmentanteilen behandelt. Zum Abzug gezahlter Stückzinsen und Zwischengewinne bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Zinsabschlag sowie sonstigen zinsabschlagpflichtigen Zinserträgen s. § 43a EStG Rz. 53ff.
Rz. 105
Vereinnahmte Stückzinsen werden ab dem 1.1.2009 nicht mehr gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung, sondern nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG i. d. F. des G. v. 14.8.2007 besteuert. Zu beachten ist allerdings, dass die Besteuerung der Veräußerungsgewinne nach § 52a Abs. 10 S. 7 EStG nur für solche Wertpapiere gilt, die nach dem 31.12.2008 angeschafft wurden. Für vor diesem Zeitpunkt angeschaffte Wertpapiere werden die Veräußerungsgewinne bzw. Stückzinsen nicht nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 EStG erfasst und deswegen auch nicht dem KapESt-Abzug unterworfen. Diese Stückzinsen sind m. E. nicht steuerbar. Dies gilt allerdings nur für Stückzinsen auf Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, die nicht Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung sind. Stückzinsen aus der Veräußerung von Finanzinnovationen i. S. v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung genießen keinen Bestandsschutz und unterliegen ab dem 1.1.2009 stets der KapESt gem. Nr. 9 (§ 52a EStG Rz. 22).
Rz. 105a
Der Gesetzgeber hat durch Ergänzung des § 52a Abs. 10 S. 7 Halbs. 2 EStG im Rahmen des JStG 2010 v. 8.12.2010, nunmehr § 52 Abs. 28 S. 16 EStG, die in Rz. 105 beschriebene Besteuerungslücke geschlossen. Diese rückwirkende Maßnahme kann jedoch nicht zu einer rückwirkend entstehenden Verpflichtung zur Vornahme eines KapESt-Abzugs führen, da sie nur die Besteuerung der Einkünfte nach § 20 EStG betrifft. Die KapESt-Abzugspflicht nach § 43 EStG entsteht nur im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge (§ 44 EStG Rz. 58). Bei der Vereinnahmung der Stückzinsen vor Inkrafttreten des JStG 2010 fehlt daher auch bei einer rückwirkenden Schließung der Gesetzeslücke eine Rechtsgrundlage für den Steuerabzug. Der Anleger muss die vereinnahmten Stückzinsen daher gem. § 32d Abs. 3 EStG im Rahmen der Veranlagung angeben (§ 32d EStG Rz. 45ff.).
Rz. 105b
Die Finanzverwaltung geht dagegen unter Berufung auf § 52 Abs. 28 S. 16 EStG von einer Steuerabzugsverpflichtung aus; es wird lediglich nicht beanstandet, wenn im Jahr 2009 vereinnahmte Stückzinsen nicht dem Steuerabzug unterworfen werden.
Rz. 106
Die vereinnahmten Stückzinsen können jedoch trotz dieser Besteuerungslücke nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung, welche letztmalig auf vor dem 31.12.2008 erworbene Wertpapiere anwendbar ist, erfasst werden. Wurden die vor dem 1.1.2009 erworbenen Wertpapiere nicht länger als ein Jahr gehalten, ist der Gewinn aus der Veräußerung – und damit auch der vereinnahmte Stückzins – nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. steuerpflichtig.