14.1 Allgemein
Rz. 72
§ 45b Abs. 8 EStG regelt das Verfahren zur Korrektur oder Stornierung der an das BZSt übermittelten Datensätzen. Im Ergebnis wird durch § 45b Abs. 8 EStG eine zeitlich unbegrenzte Korrektur- und Stornierungspflicht eingefügt.
14.2 Korrektur- und Stornierungspflicht (Abs. 8 Nr. 1 i. V. m. § 93c Abs. 3 S. 1 AO)
14.2.1 Allgemein und Grundlagen des § 93c Abs. 3 AO
Rz. 73
Gem. § 45b Abs. 8 Nr. 1 EStG ist die Vorschrift des § 93c Abs. 3 AO mit bestimmten Maßgaben anzuwenden. Die meldende Stelle unterliegt grundsätzlich einer Korrektur- bzw. Stornierungspflicht nach § 93c Abs. 3 S. 1 AO: Stellt die meldende Stelle bis zum Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum oder Besteuerungszeitpunkt folgenden Kj. fest, dass
- die nach Maßgabe von § 93c Abs. 1 AO übermittelten Daten unzutreffend waren oder
- ein Datensatz übermittelt wurde, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen,
muss die meldende Stelle dies gem. § 93c Abs. 3 AO unverzüglich durch Übermittlung eines weiteren Datensatzes korrigieren oder stornieren. Nach der Begründung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist ein Datensatz nur dann zu stornieren, wenn die Grundlage der Meldung entfallen ist oder Änderungen an Schlüsselfeldern (z. B. die Identifikationsnummer des Stpfl.) vorgenommen werden müssen. Die Grundlage der Meldung ist entfallen, wenn die Meldung irrtümlich oder zu Unrecht erfolgt ist.
14.2.2 Maßgaben zur Anwendung des § 93c Abs. 3 AO
Rz. 74
Abweichende Bestimmungen zu § 93c Abs. 3 AO in den Einzelgesetzen gehen ausdrücklich vor (§ 93c Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 AO: "vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in den Steuergesetzen"). § 45b Abs. 8 Nr. 1 EStG ist eine solche "abweichende Bestimmung" i. S. d. § 93c Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 AO und ordnet folgende Maßgaben zur Anwendung des § 93c Abs. 3 AO an:
- Der übermittelte Datensatz ist gem. § 45b Abs. 8 Nr. 1 Halbs. 1 EStG unabhängig davon zu korrigieren oder zu stornieren, wann die, die Kapitalerträge auszahlende Stelle, die Feststellung i. S. d. § 93c Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AO (gemeint ist die Feststellung, dass die zu übermittelten Daten unzutreffend waren) oder § 93c Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO (d. h., es wurde ein Datensatz übermittelt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen) trifft.
- Die die Kapitalerträge auszahlende Stelle ist § 45b Abs. 8 Nr. 1 Halbs. 1 EStG unabhängig von der in § 93c Abs. 3 der AO genannten Frist verpflichtet, einen Datensatz zu übermitteln, wenn sie nachträglich erkennt, dass sie zur Übermittlung eines Datensatzes verpflichtet war, und der Datensatz nicht übermittelt wurde.
Zeitlich unbegrenzte Korrektur- und Stornierungspflicht und nachträgliche Übermittlungspflicht
Für die Praxis führen die Regelungen in § 45b Abs. 8 Nr. 1 Halbs. 1 und Halbs. 2 EStG im Ergebnis zu einer zeitlich unbegrenzten Korrektur- und Stornierungspflicht und zu einer nachträglichen Übermittlungspflicht. Auch nach Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitpunkt folgenden Kj. sind Korrekturen und Stornierungen vorzunehmen. Laut Begründung des AbzStEntModG haben die Ermittlungen zu Cum/Ex-, Cum/Cum- und vergleichbaren Gestaltungen gezeigt, dass auch nach vielen Jahren neue Informationen zu Gestaltungen bekannt werden und sich herausstellt, dass Steuerbescheinigungen unzutreffend erstellt wurden. Die Notwendigkeit zur Korrektur übermittelter Datensätze kann sich auch ergeben, wenn nach erstmaliger Datenübermittlung nach § 45b Abs. 6 EStG noch Steuerbescheinigungen erstellt werden bzw. Datenübermittlungen nach § 45 Abs. 2a EStG erfolgen und sich dadurch das Volumen nicht bescheinigter KapESt für ein Depotkonto ändert.
14.3 Geänderte Anwendung des § 171 Abs. 10a AO zur Festsetzungsfrist (Abs. 8 Nr. 2)
Rz. 75
§ 171 Abs. 10a AO legt fest, dass soweit Daten eines Stpfl. i. S. d. § 93c AO innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten abläuft. § 45b Abs. 8 Nr. 2 EStG ist eine abweichende Bestimmung von dieser Regelung. Die Vorschrift des § 45b Abs. 8 Nr. 2 EStG ordnet an, dass § 171 Abs. 10a AO mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Festsetzungsfrist unabhängig vom Zeitpunkt des Zugangs der Daten bei dem BZSt nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang der Daten endet. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10a AO steht ausweislich der Begründung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im Zusammenhang mit der Regelung des § 93c AO und ergänzt die Korrekturvorschrift lt. § 175b AO. Die Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10 AO findet aber keine Anwendung, wenn Daten i. S. d. des § 93c AO erst nach Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Jahres, d. h. nach Ablauf der regulären Aufbewahrungsfrist gem. § 93c Abs. 1 Nr. 4 AO, den Finanzbehörden zugegangen sind.