Rz. 30
Im Anschluss an die am 31.3.2005 abgelaufene Abgabefrist für strafbefreiende Erklärungen zur Erlangung der Steueramnestie haben nach § 93b Abs. 1 AO i. d. F. des Gesetzes v. 23.12.2003 die Kreditinstitute die Datei der Konto- und Depotstammdaten nach § 24c Abs. 1 KWG (Rz. 27) nicht nur für Zwecke der Finanzaufsicht, sondern mit Wirkung ab 1.4.2005 auch für steuerliche Zwecke – d. h. für den automatisierten Abruf von Konto- und Depotinformationen in den Fällen der ebenfalls durch das G. v. 23.12.2003 eingeführten Abs. 7 und 8 des § 93 AO – zu führen. Für diesen automatisierten Abruf und die Weiterleitung der abgerufenen Daten an das jeweilige FA ist das BZSt gem. § 5 Abs. 1 Nr. 24 FVG i. V. m. § 93b Abs. 2 AO zuständig.
Rz. 31
In Anbetracht der Verfahrensregelungen für den Kontenabruf und der Einschränkungen für die Kontenabfrage hielt es das BVerfG nicht für geboten, im Weg einer einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 93 Abs. 7 und 8 AO, § 93b AO, § 5 Abs. 1 Nr. 24 FVG und § 24c Abs. 1 S. 1 KWG bis zur endgültigen Entscheidung über die gegen diese Vorschriften erhobenen Verfassungsbeschwerden auszusetzen und wies deshalb die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet zurück.
Rz. 32
Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO ist nur in den gesetzlich abschließend aufgezählten Fällen (Rz. 33ff.) unter der Voraussetzung möglich, dass ein Auskunftsersuchen an den Stpfl. nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Das bedeutet, dass die Finanzverwaltung sich bei Fragen zunächst an den Stpfl. wenden muss und nicht direkt eine Kontenabfrage durchführen darf. Das gilt auch dann, wenn der Stpfl. dem Kontenabruf zustimmt (§ 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 AO).
Rz. 33
Stpfl., deren persönlicher Steuersatz niedriger ist als der Abgeltungsteuersatz, können nach § 32d Abs. 6 EStG beantragen, dass ihre Einkünfte nach § 20 EStG im Rahmen der ESt-Veranlagung ihrem individuellen Steuersatz unterworfen werden. In diesem Fall muss der Stpfl. sämtliche Kapitalerträge erklären. Die Finanzbehörde kann gem. § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 AO prüfen, ob neben den erklärten Einkünften noch weitere Einkünfte vorliegen.
Rz. 34
Nach § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 AO ist ein Abruf von Kontoinformationen zulässig, wenn die Kapitalerträge gem. § 2 Abs. 5b EStG in die Veranlagung einzubeziehen sind, etwa zur Feststellung der Höhe von Spendenhöchstbeträgen, bei der Berücksichtigung einkommensabhängiger außergewöhnlicher Belastungen, zur Feststellung eigener Einkünfte der Kinder zur Bemessung des Kindergelds und des Ausbildungsfreibetrags, wenn das Kind 18 Jahre alt ist.
Rz. 35
Der Abruf von Kontoinformationen ist gem. § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 EStG zulässig zur Feststellung von Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG sowie Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG in Vz bis einschließlich 2008, also vor Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und Wertpapierveräußerungsgewinne.
Rz. 36
§ 93 Abs. 8 AO ermöglicht den Abruf der Konto- und Depotstammdaten im Zusammenhang mit anderen Gesetzen, insbesondere den Sozialgesetzen, die bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit eines Bürgers an Begriffe des EStG anknüpfen, z. B. BAföG oder Sozialhilfe, oder auch bei der Regelung von Unterhaltspflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass die um den Datenabruf ersuchende Behörde oder das ersuchende Gericht versichert, dass eigene Ermittlungen nicht zum Ziel geführt haben oder keinen Erfolg versprechen. Ein Ersuchen um Datenabruf soll erst gestellt werden, nachdem alle eigenen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Das FA veranlasst in diesen Fällen den Datenabruf durch das BZSt auf Ersuchen der für das jeweils andere Gesetz zuständigen Behörde oder eines Gerichts. Deren Ersuchen geht nicht unmittelbar an das BZSt, sondern an das zuständige FA, weil diesem die fraglichen Tatsachen im Einzelfall bereits aus anderem Anlass bekannt sein können.