Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 101
Neben der inländischen Betriebsstätte bildet auch der inländische ständige Vertreter nach § 13 AO einen Anknüpfungstatbestand für die beschr. Steuerpflicht. Während der ständige Vertreter nach inländischem Recht einen selbstständigen Anknüpfungstatbestand für die beschr. Steuerpflicht bildet, mit der Folge, dass keine GewSt-Pflicht eintritt, weil keine inländische gewerbliche Betriebsstätte vorliegt, wird der ständige Vertreter nach DBA als Unterfall der Betriebsstätte eingeordnet.
Rz. 101a
Der Begriff des ständigen Vertreters nach § 13 AO setzt zwei Personen voraus, den Unternehmer und den ständigen Vertreter. Das bedeutet, dass der Inhaber des Einzelunternehmens nicht gleichzeitig ständiger Vertreter dieses Unternehmens sein kann. Fraglich war jedoch, ob der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ständiger Vertreter dieser Kapitalgesellschaft sein kann. Das kann zweifelhaft sein, weil der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft nach der Organtheorie Organ dieser Kapitalgesellschaft ist. Sein Handeln gilt also als Handeln der Kapitalgesellschaft, nicht als "Vertretung" im eigentlichen Sinne. Der BFH hat jedoch auch in dem Handeln des Organs eine "Geschäftsbesorgung" für die Kapitalgesellschaft gesehen, die "nachhaltig" erfolgt. Außerdem sieht er den Geschäftsführer als weisungsgebunden an, da der Geschäftsführer auch als Organ an den unternehmerischen Willen der Kapitalgesellschaft gebunden sei.
Der BFH gleicht damit die deutsche Rechtslage an die international übliche an, da im Ausland die "Organtheorie" weitgehend unbekannt ist und der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter eingeordnet wird.
Bei einer Personengesellschaft ist m. E. darauf abzustellen, ob diese im internationalen Steuerrecht als transparent behandelt wird. Ist dies, wie nach deutschem Steuerrecht, der Fall, sind die Tätigkeit der Personengesellschaft und ihre Betriebsstätten den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Im Ergebnis werden die Gesellschafter also wie Einzelunternehmer behandelt. Dann sollte aber die Regelung über Einzelunternehmer, nicht die über Kapitalgesellschaften, anzuwenden sein, weil sonst ein Gesellschafter als "ständiger Vertreter" für sich selbst handeln würde. Eine Entscheidung der Rspr. hierzu liegt jedoch noch nicht vor. Soweit im internationalen Steuerrecht eine Personengesellschaft als intransparent angesehen wird, dürfte ein geschäftsführender Gesellschafter, entsprechend der Rspr. des BFH zur Kapitalgesellschaft, als ständiger Vertreter anzusehen sein.
Rz. 102
Nach den DBA begründet ein selbstständiger Vertreter, der im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt, i. d. R. keinen Anknüpfungspunkt für die Besteuerung. Die Verwaltung hat in R 49.1 Abs. 1 EStR 2012 bei Fehlen eines DBA die Fälle aus der beschr. Steuerpflicht ausgenommen, in denen ein Kommissionär oder Makler im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit in ständiger Geschäftsbeziehung als ständiger Vertreter für ein ausl. Unternehmen tätig ist. Entsprechendes gilt für einen Handelsvertreter, der weder über eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und -abschlüssen noch über ein Warenlager des ausl. Unternehmens verfügt. Dies entspricht der Regelung in DBA. Dies gilt nach R 49.1 Abs. 2 EStR 2012 jedoch nicht für einen im Ausland ansässigen Stpfl., der Einkünfte aus dem Betrieb eigener oder gecharterter Schiffe oder Luftfahrzeuge durch einen ständigen Vertreter im Inland bezieht.
Rz. 103
Besteht ein ständiger Vertreter, wird über diesen Anknüpfungstatbestand der Vorteil steuerlich erfasst, der für das Unternehmen in der Tätigkeit des ständigen Vertreters liegt. Nach § 39 BsGaV gelten die gleichen Gewinnermittlungsgrundsätze wie bei der Betriebsstättenbesteuerung. Die Vergütung für den Handelsvertreter kann als Betriebsausgabe angesetzt werden. Daraus leitet die Finanzverwaltung die "Null-Summen-Theorie" ab, nach der der Vorteil für das Unternehmen aus der Tätigkeit des Vertreters der an ihn gezahlten Vergütung entspricht, im Ergebnis dem Unternehmen (d. h. der Vertreterbetriebsstätte des Unternehmens) also kein Gewinn zugerechnet werden kann.
Rz. 104
Verpachtet ein beschr. Stpfl. seinen Gewerbebetrieb und erklärt er nicht die Betriebsaufgabe (§ 16 EStG), so sind die Verpachtungseinkünfte wegen Fehlens einer inländischen Betriebsstätte nur dann gewerblich, wenn er im Inland einen ständigen Vertreter bestellt hat. Die Verpachtungstätigkeit allein begründet keine Betriebsstätte. Dieser ständige Vertreter kann auch der Pächter sein. Besteht danach kein Gewerbebetrieb mehr, liegt Betriebsaufgabe mit Aufdeckung der stillen Reserven vor.