Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 21
Nach § 241 Abs. 1 HGB kann die Inventur auch anhand von Stichproben erfolgen. Dabei werden Art, Menge und Wert mithilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden aufgrund von Stichproben ermittelt. Voraussetzung ist, dass das gewählte Verfahren den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung entspricht; der Aussagewert eines so aufgestellten Inventars muss dem aufgrund eines im herkömmlichen Verfahren aufgestellten gleichkommen. Die Zulässigkeit der Stichprobeninventur beruht auf der Überlegung, dass bei umfangreichen Beständen die Ermittlung der Bilanzwerte durch Stichproben – bei sorgfältiger Auswahl der Stichproben – zumindest nicht mehr Fehlerquellen aufweist als die herkömmliche Vollinventur.
Die Stichprobeninventur kann auch mit einem der herkömmlichen Inventurvereinfachungsverfahren verbunden werden. Man unterscheidet dann neben der Stichtags-Stichprobeninventur die vor- oder nachgelagerte Stichprobeninventur und die permanente Stichprobeninventur.
Die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Stichprobeninventur für Vorratsvermögen sind in der Stellungnahme HFA 1/1981 i. d. F. 1990, WPg 1990, 649 sowie in HFA 1/90, Abschn. IV, WPg 1990, 143, 146 zusammengefasst.
Die Stichprobeninventur muss vollständig, richtig und nachprüfbar sein. Dabei bedeutet:
- Vollständigkeit: Die Anzahl der in dem zu bewertenden Lagerbestand enthaltenen Lagerposten (gelagerte Vermögensgegenstände) muss bekannt sein. Alle Positionen dieses zu bewertenden Bestands müssen in der Weise erfasst sein, dass sie eine Chance haben, in die Stichproben zu gelangen. Das gilt auch für Nullpositionen (abgewertete Bestände). Einer vollständigen, zuverlässigen und umfassenden Lagerkartei kommt daher besondere Bedeutung zu. Durch ein internes Kontrollsystem muss sichergestellt sein, dass keine nicht erfassten Bestände vorhanden sind. Außerdem müssen die ausgewählten Stichproben vollständig ausgewertet werden und in das Ergebnis eingehen.
- Richtigkeit: Es muss sichergestellt sein, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % der Stichprobenfehler nicht größer ist als 1 % des Werts des zu bewertenden Bestands, d. h., bei 100 durchgeführten Inventuren müssen die Ergebnisse von 95 Inventuren maximal 1 % Wertabweichungen gegenüber dem tatsächlichen Bestand aufweisen.
- Nachprüfbarkeit: Es muss nachprüfbar sein, welche Vermögensteile nach Art, Menge und Wert im Bilanzansatz erfasst sind. Außerdem muss die Ermittlung der Stichproben und das angewandte mathematisch-statistische Verfahren dokumentiert sein.
Nicht geeignet für die Stichprobeninventur sind folgende Güter:
- Gegenstände mit unkontrollierbarem Schwund,
- leicht verderbliche Güter,
- schlecht gelagerte Güter,
- besonders wertvolle Güter,
- "Ladenhüter".
Diese Gegenstände werden im herkömmlichen Verfahren aufgenommen. Aus den übrigen Gegenständen werden die Stichproben ausgewählt ("Teilerhebungsschicht").
Bei einem Lager werden zahlenmäßig verhältnismäßig wenige wertvolle Gegenstände einen hohen Prozentsatz des Gesamtwerts darstellen (z. B. machen 20 % der Einheiten wertmäßig 80 % des Gesamtbestands aus). Werden diese wertvollen Gegenstände der Vollerhebungsschicht zugeordnet, wird ein hoher Rationalisierungseffekt mit hoher Ergebnissicherheit kombiniert (in die Stichprobeninventur werden dann der Zahl nach 80 %, dem Wert nach aber nur 20 % der Gegenstände einbezogen).
Zu den mathematischen Formeln für die einzelnen Verfahren vgl. Anhang zur Stellungnahme HFA 1/1981, WPg 1981, 479, 485.