Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 163
Die Aktivierung von Wirtschaftsgütern (Vermögensgegenständen) in der Bilanz dient einem doppelten Zweck. Der Bilanzausweis des Aktivvermögens ist zunächst unter dem Gesichtspunkt der Offenlegung der Haftungsgrundlage zu sehen. Die Bilanz zeigt dem Gläubiger des Kaufmanns neben der Gesamtvermögenssituation die einzelnen Möglichkeiten des Zugriffs in das Schuldnervermögen. Dies ist, wie sich aus dem Wortlaut der §§ 238, 240 HGB ergibt, die vornehmliche handelsrechtliche Sicht (Sichtweise der statischen Bilanzauffassung, vgl. Rz. 12). Daneben verfolgt die Aktivierung den Zweck des richtigen Gewinnausweises. Der Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG basiert auf dem Ansatz des Betriebsvermögens am Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahrs und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs. Das Betriebsvermögen ergibt sich wiederum aus der Differenz zwischen den Wirtschaftsgütern und den Verbindlichkeiten.
Aus Sicht der dynamischen Bilanzauffassung (vgl. Rz. 12) hat der Begriff des Wirtschaftsguts (Vermögensgegenstands) dagegen keine überragende Bedeutung. Aktivierung bedeutet i. S. d. dynamischen Bilanzauffassung nicht Darstellung der Vermögenslage durch Ansatz von Wirtschaftsgütern, sondern Erfassung von Aufwand zum Zweck der Verteilung auf zukünftige Jahre, ohne Rücksicht darauf, ob ein Vermögensgegenstand i. S. d. statischen Bilanz geschaffen wurde. Der aktivierte Aufwand wird dadurch im Jahr seiner Entstehung neutralisiert und wirkt sich erst mit Verminderung des Aktivpostens (z. B. bei einer Abschreibung) gewinnmindernd aus.
Im Folgenden wird, in Übereinstimmung mit der h. L. (vgl. Rz. 12), von der statischen Bilanzauffassung ausgegangen. Dem Begriff des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts kommt dabei eine zentrale Bedeutung für die Bilanzierung und damit für den Gewinnausweis zu. Entscheidend für den Gewinnausweis sind damit nicht die Möglichkeiten einer Verlagerung von Aufwand in die Zukunft oder einer antizipativen Gewinnerfassung, sondern das Vorhandensein eines selbstständig bewertbaren Guts (Wirtschaftsgut; vgl. dazu § 4 Rz. 26ff.).