Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 225
Eine auf Vertrag beruhende Forderung ist zu aktivieren, wenn sie rechtlich oder wirtschaftlich entstanden ist. Bei vertraglich begründeten Ansprüchen liegt der Forderung eine vertragliche Verpflichtung des Schuldners zugrunde, er hat dem Entstehen der Forderung also (grundsätzlich) zugestimmt, sodass erwartet werden kann, dass er die Forderung bei Fälligkeit erfüllen wird. Dies gilt jedenfalls solange und soweit die Forderung nicht bestritten ist.
Rz. 225a
Wirtschaftlich entstanden ist die Forderung dann, wenn die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt wurden und der Kaufmann mit der künftigen zivilrechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann. Daher dürfen aufschiebend bedingte Forderungen, bei denen der Bedingungseintritt ungewiss ist, nicht aktiviert werden, wenn der Bedingungseintritt bis zum Bilanzstichtag nicht eingetreten ist. Entsprechendes gilt, wenn zwar die Voraussetzungen für das Entstehen der Forderung zum Bilanzstichtag vorliegen, die Entstehung der Forderung aber noch dadurch verhindert werden kann, dass nach dem Bilanzstichtag Mängel der Leistung des Kaufmanns festgestellt werden. Eine Aktivierung kann in einem solchen Fall allenfalls erfolgen, wenn Rückgriffsansprüche des Kaufmanns wegen des Mangels gegen einen Dritten bestehen, die in Entstehung und Erfüllung spiegelbildlich zu der zu aktivierenden Forderung sind und vom Rückgriffsschuldner, der von zweifelsfreier Bonität sein muss, nicht bestritten werden.
Rz. 225b
Bestrittene Forderungen dürfen aufgrund des Vorsichtsprinzips erst aktiviert werden, wenn der Kaufmann ein rechtskräftiges Urteil erstritten hat oder eine Einigung mit dem Schuldner vorliegt; ein am Bilanzstichtag noch nicht rechtkräftiges Urteil genügt nicht. Bei teilweise bestrittenen Forderungen gilt dies für den bestrittenen Teil.
Rz. 225c
Beruht die Forderung auf einer Vertragsverletzung oder auf Gesetz (unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung; Rz. 237), kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Schuldner die Forderung erfüllen wird. Vielmehr ist zu erwarten, dass sich der Schuldner gegen die Inanspruchnahme wehren wird. Daher ist bei solchen Ansprüchen eine Aktivierung erst zulässig, wenn der Schuldner die Forderung anerkannt hat. Fehlendes Bestreiten genügt nicht, solange ein Bestreiten noch möglich ist.
Rz. 225d
Steuererstattungsansprüche, denen Steuerbescheide entgegenstehen, dürfen nach dem Vorsichtsprinzip ebenfalls noch nicht aktiviert werden, wenn diese Steuerbescheide nicht bestandskräftig sind. Ergeben sich die Steuererstattungsansprüche jedoch aus einem höchstrichterlichen Grundsatzurteil und wendet die Finanzbehörde das Urteil vorbehaltlos an, sind die Steueransprüche auch schon vor der formellen Änderung der Bescheide zu aktivieren. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Grundsatzurteil im BStBl veröffentlicht wurde und kein Nichtanwendungserlass ergangen ist. Die noch ausstehende Änderung der Bescheide ist dann nur ein formaler Akt, der nichts daran ändert, dass ein Kaufmann bei Erwerb des Betriebs den Ansprüchen einen Wert zumessen würde. Voraussetzung der Aktivierung der Ansprüche vor Änderung der Bescheide ist aber, dass der Änderung der Bescheide unstreitig keine formellen Hindernisse entgegenstehen, sie also angefochten sind oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, und dass die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Höhe der Erstattungsansprüche eindeutig feststeht oder geschätzt werden muss. Erforderliche Ermittlungshandlungen der Finanzbehörde einschließlich einer Sonderprüfung beeinträchtigen die Bilanzierungspflicht daher nicht. Hat der Stpfl. seinen Betrieb bereits aufgegeben, wenn die Aktivierungspflicht von Steuererstattungsansprüchen eintritt, soll es sich laut Rspr. um ein rückwirkendes Ereignis handeln, das den Aufgabegewinn erhöht. Dieser Auffassung ist vor dem Hintergrund der einschlägigen BFH-Rspr. zu Forderungen und rückwirkenden Ereignissen zuzustimmen.
Rz. 225e
Forderungen sind nach § 253 Abs. 1 HGB, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Dies ist regelmäßig der Nennbetrag der Darlehensforderung. Es kommt nicht auf den Auszahlungsbetrag an, und auch nicht darauf, ob das Darlehen unverzinslich oder niedrig verzinslich ist.