Dr. Dino Höppner, Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 226
Die Bilanzposition betrifft Forderungen aus Umsatzgeschäften, die innerhalb des eigentlichen Unternehmenszwecks liegen. Forderungen aus Hilfsgeschäften, wie etwa aus der Verwertung von Anlagevermögen, werden üblicherweise nicht hier, sondern als sonstige Vermögensgegenstände erfasst.
Rz. 227
Mit Einbuchung einer Forderung aus Lieferung oder Leistung tritt regelmäßig Gewinnrealisierung ein. Der Zeitpunkt der Einbuchung richtet sich deshalb nach den Bilanzierungsgrundsätzen schwebender Geschäfte (Rz. 79ff.). Solange ein Leistungsaustauschvertrag beiderseitig noch nicht erfüllt ist, entfällt ein Bilanzansatz.
Beginnt der Lieferungs- oder Leistungsverpflichtete im eigenen Bereich mit der Erstellung des Lieferungsgegenstands oder des Werks, so kommt ein Ausweis als unfertiges oder fertiges Erzeugnis innerhalb des Vorratsvermögens infrage. Dieser Bilanzausweis ist grundsätzlich weiterzuführen, solange die Lieferung oder Leistung nicht in einer Weise erbracht ist, die ihm ein Anrecht auf die Gegenleistung erwachsen lässt.
Bauunternehmer errichtet für den Bauherrn auf dessen Grundstück ein Gebäude
Obwohl die vom Bauunternehmer eingebauten Gegenstände zivilrechtlich dadurch, dass sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden, in das Eigentum des Bauherrn übergehen, weist er das erbrachte Bauvolumen als unfertiges Erzeugnis oder in Arbeit befindlicher Auftrag aus. Wegen der Besonderheit hinsichtlich des oben geschilderten Eigentumsübergangs ist allerdings auch ein Ausweis innerhalb der Forderungen aus Lieferung und Leistung in einem besonderen Posten als noch nicht abgerechnetes Bauwerk zulässig. Im Regelfall ist eine Forderung aus Lieferung oder Leistung indes erst dann anzunehmen, wenn der Verpflichtete die Lieferung ausgeführt bzw. seine Leistung erbracht hat.
Im Fall eines Werkvertrags ist zur vertragsgemäßen Leistungserbringung die Abnahme des Werks, also die Anerkennung durch den Vertragspartner als vertragsgemäß notwendig (Rz. 102).
Da mit der Einbuchung der Forderung aus Lieferung und Leistung Gewinnverwirklichung eintritt, ist die entstandene Forderung mit ihrem "wirklichen" Wert zu erfassen. Rabatte und Skonti oder sonstige Preisnachlässe sind hierbei zu berücksichtigen. Weitere Kosten des Umsatzgeschäfts wie Provisionen und USt sind ggf. gesondert zu passivieren. Die Forderungen sind hier auch dann auszuweisen, wenn sie mit Wechseln gesichert sind (Rz. 211).
Rz. 228
Werden Forderungen zum Einzug abgetreten, ohne dass der Zessionar das Delkredere übernimmt (unechtes Factoring), bleibt der Unternehmer wirtschaftlicher Eigentümer der Forderung, sie ist weiterhin in seiner Bilanz zu erfassen. Bei echtem Factoring (endgültiger Verkauf der Forderung an einen Dritten mit Übergang des Insolvenzrisikos) scheidet die "verkaufte" Forderung aus dem Betriebsvermögen des Unternehmers aus, an ihre Stelle tritt der Erlös aus dem Factoring-Geschäft mit gewinnrealisierender Wirkung.
Rz. 229
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen können diesen Charakter verlieren, wenn sie langfristig gestundet werden. Sie sind dann als sonstige Forderungen auszuweisen. Wann dies im Einzelfall anzunehmen ist, hängt von der Üblichkeit der Branche ab. Im Großanlagen- oder Auslandsgeschäft sind langfristige Vertragsabwicklungen nicht ungewöhnlich, sodass eine Umgliederung trotz langfristiger Kreditierung der Kaufpreisforderung nicht notwendig wird.
Rz. 229a
Die Corona-Überbrückungshilfen sowie die November- und Dezemberhilfe sind im Grunde genommen nicht rückzahlbare Zuschüsse, die als Billigkeitsleistungen ohne Rechtsanspruch gewährt werden. Bei den Corona-Überbrückungshilfen handelt es sich um Aufwandszuschüsse für bestimmte betriebliche Fixkosten, während die November- und Dezemberhilfe Ertragszuschüsse für entgangene Umsätze sind.
Eine Forderung sollte aktiviert werden, wenn am Abschlussstichtag die Voraussetzungen für die Bewilligung der Corona-Finanzhilfen, die sich auf das abgelaufene Geschäftsjahr beziehen, erfüllt waren und eine Bewilligung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses, also im Wertaufhellungszeitraum, vorliegt. Dies beruht auf der Annahme, dass mit Erhalt des Bewilligungsbescheids eine hinreichende Sicherheit über den Erhalt einer Förderung ohne Rechtsanspruch gegeben ist.
Aufgrund der besonderen Umstände der Corona-Pandemie kann – wie auch vom IDW argumentiert – auch in Fällen, in denen die sachlichen Antragsvoraussetzungen zum Abschlussstichtag erfüllt waren, eine Forderung aktiviert werden, selbst wenn die Bewilligung noch nicht vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein Antrag gestellt wurde oder mit hoher Wahrscheinlichkeit gestellt werden wird, da die Bewilligung bei Erfüllung der Voraussetzungen und (geplanter) Antragstellung als quasi-sicher gilt.
Obwohl Corona-Finanzhilfen möglicherweise bereits ertragswirksam bilanziert wurden, unterliegen sie dennoch einer verpflichtenden Schlussabrechnung. Wenn hingegen keine Forderung aktiviert wird, weil bereits Förderzahlungen erfolgt...