Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 226
Die Bilanzposition betrifft Forderungen aus Umsatzgeschäften, die innerhalb des eigentlichen Unternehmenszwecks liegen. Forderungen aus Hilfsgeschäften, wie etwa aus der Verwertung von Anlagevermögen, werden üblicherweise nicht hier, sondern als sonstige Vermögensgegenstände erfasst.
Rz. 227
Mit Einbuchung einer Forderung aus Lieferung oder Leistung tritt regelmäßig Gewinnrealisierung ein. Der Zeitpunkt der Einbuchung richtet sich deshalb nach den Bilanzierungsgrundsätzen schwebender Geschäfte (Rz. 79ff.).
Solange ein Leistungsaustauschvertrag beiderseitig noch nicht erfüllt ist, entfällt ein Bilanzansatz.
Beginnt der Lieferungs- oder Leistungsverpflichtete im eigenen Bereich mit der Erstellung des Lieferungsgegenstands oder des Werks, so kommt ein Ausweis als unfertiges oder fertiges Erzeugnis innerhalb des Vorratsvermögens infrage. Dieser Bilanzausweis ist grundsätzlich weiterzuführen, solange die Lieferung oder Leistung nicht in einer Weise erbracht ist, die ihm ein Anrecht auf die Gegenleistung erwachsen lässt.
Der Bauunternehmer A errichtet für den Bauherrn auf dessen Grundstück ein Gebäude.
Obwohl die vom Bauunternehmer eingebauten Gegenstände zivilrechtlich dadurch, dass sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden, in das Eigentum des Bauherrn übergehen, weist er das erbrachte Bauvolumen als unfertiges Erzeugnis oder in Arbeit befindlicher Auftrag aus. Wegen der Besonderheit hinsichtlich des oben geschilderten Eigentumsübergangs ist allerdings auch ein Ausweis innerhalb der Forderungen aus Lieferung und Leistung in einem besonderen Posten als noch nicht abgerechnetes Bauwerk zulässig. Im Regelfall ist eine Forderung aus Lieferung oder Leistung indes erst dann anzunehmen, wenn der Lieferungsverpflichtete die Lieferung ausgeführt hat bzw. der Leistungsverpflichtete seine Leistung erbracht hat.
Im Fall eines Werkvertrags ist zur vertragsgemäßen Leistungserbringung die Abnahme des Werks, also die Anerkennung durch den Vertragspartner als vertragsgemäß notwendig (vgl. Rz. 102).
Da mit der Einbuchung der Forderung aus Lieferung und Leistung Gewinnverwirklichung eintritt, ist die entstandene Forderung mit ihrem "wirklichen" Wert zu erfassen. Rabatte und Skonti oder sonstige Preisnachlässe sind hierbei zu berücksichtigen. Weitere Kosten des Umsatzgeschäfts wie Provisionen und USt sind ggf. gesondert zu passivieren. Die Forderungen sind hier auch dann auszuweisen, wenn sie mit Wechseln gesichert sind (Rz. 211).
Rz. 228
Werden Forderungen zum Einzug abgetreten, ohne dass der Zessionar das Delkredere übernimmt (unechtes Factoring), bleibt der Unternehmer wirtschaftlicher Eigentümer der Forderung, sie ist weiterhin in seiner Bilanz zu erfassen. Bei echtem Factoring (endgültiger Verkauf der Forderung an einen Dritten mit Übergang des Insolvenzrisikos) scheidet die "verkaufte" Forderung aus dem Betriebsvermögen des Unternehmers aus, an ihre Stelle tritt der Erlös aus dem Factoring-Geschäft mit gewinnrealisierender Wirkung.
Rz. 229
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen können diesen Charakter verlieren, wenn sie langfristig gestundet werden. Sie sind dann als sonstige Forderungen auszuweisen. Wann dies im Einzelfall anzunehmen ist, hängt von der Üblichkeit der Branche ab. Im Großanlagen- oder Auslandsgeschäft sind langfristige Vertragsabwicklungen nicht ungewöhnlich, sodass eine Umgliederung trotz langfristiger Kreditierung der Kaufpreisforderung nicht notwendig wird.