Dr. Dino Höppner, Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 257b
In der Vergangenheit sah die Rspr. für geringfügige (unwesentliche) und jährlich in etwa gleicher Höhe wiederkehrende Abgrenzungsbeträge eine Möglichkeit zum Verzicht des Ansatzes vor. Bedenklich ist dies jedenfalls hinsichtlich des Erfordernisses "ständig wiederkehrend", weil dadurch die entstehende Gewinnverlagerung nicht in ihrem Gewicht verringert, sondern perpetuiert wird. Nunmehr änderte der BFH seine Rspr. und verlangt stets den Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten. Ein Verzicht auf den Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten verstößt einerseits gegen das Vollständigkeitsgebot nach § 246 Abs. 1 HGB und lässt sich anderseits auch nicht aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableiten. Auf die Änderung der Rspr. hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 5 Abs. 5 S. 2 EStG reagiert. Hiernach besteht bei Abgrenzungsbeträgen bis zu einer Wesentlichkeitsgrenze nach § 6 Abs. 2 S. 1 EStG (Wesentlichkeitsgrenze für geringwertiges Wirtschaftsgut) ein Wahlrecht auf den Ausweis eines Rechnungsabgrenzungspostens zu verzichten (§ 5 Abs. 5 S. 2 EStG). Dabei ist das Wahlrecht einheitlich für aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten auszuüben.
Rz. 257c
Die Regelung des § 5 Abs. 5 S. 2 EStG legt klar fest, dass die GWG-Grenze (§ 6 Abs. 2 S. 1 EStG) für jede einzelne Einnahme oder Ausgabe nach S. 1 gilt. Denn S. 2 nimmt im Wortlaut auf die "jeweilige Ausgabe oder Einnahme" Bezug.
Keine Pflicht zur Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens
Wenn ein Stpfl. im Dezember für 10 Fahrzeuge die Kfz-Steuer von 500 EUR pro Fahrzeug für die nächsten 12f Monate bezahlt, muss kein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden, obwohl der Gesamtbetrag 5.000 EUR beträgt.
Rz. 257d
Das Wahlrecht ist in § 5 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 EStG normiert. Daher ist es nicht entscheidend, ob die durch § 5 Abs. 5 S. 2 Halbs. 1 EStG bewirkte Abweichung vom Grundsatz der periodengerechten Gewinnabgrenzung im Handelsrecht in jedem einzelnen Fall übereinstimmt. Das Wahlrecht kann daher steuerrechtlich auch dann angewendet werden, wenn handelsrechtlich eine Aktivierung bzw. Passivierung erfolgt. Die Regelung verlangt, dass das Wahlrecht einheitlich für alle geeigneten Einnahmen und Ausgaben auszuüben ist. Dabei wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der Stpfl. aus steuerlichen Gründen auf aktive RAP (die steuererhöhend wirken) verzichtet, aber passive RAP (die steuermindernd wirken) weiterhin nach den allgemeinen Regeln bildet.
Rz. 257e
Das Wahlrecht ist erstmalig für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 enden, anzuwenden (§ 52 Abs. 9 S. 1 EStG).