Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 33i
Sachlich erfasst die Regelung die Erstattungsberechtigung für die KapESt und den Steuerabzug nach § 50a EStG. Die Regelung gilt jedoch nur für die Entlastung von Abzugsteuern nach einem DBA. Sie gilt daher unmittelbar nicht für unilaterale Entlastungen von der KapESt wie § 44a Abs. 9 EStG. § 44a Abs. 9 S. 2 EStG ordnet aber die entsprechende Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG an, sodass diese Vorschrift insoweit auch für Erstattungen außerhalb eines DBA gilt. Die Gegenmeinung, die die Anwendung im Rahmen des § 44a Abs. 9 EStG deshalb ablehnt, weil § 50d Abs. 1 S. 11 EStG im Tatbestand das Bestehen eines DBA voraussetzt, übersieht, dass nur die "entsprechende" Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG angeordnet wird, der Tatbestand also nicht in vollem Umfang vorliegen muss; anderenfalls würde es zu einer direkten, nicht zu einer entsprechenden Anwendung kommen.
Die Vorschrift passt auf Erstattungen nach § 44a Abs. 9 EStG insofern nicht, als § 50d Abs. 1 S. 11 EStG die "Ansässigkeit" des Zurechnungsberechtigten voraussetzt. Außerhalb eines DBA gibt es aber keine "Ansässigkeit". Aufgrund der nur entsprechenden Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG auf Erstattungsansprüche des § 44a Abs. 9 EStG ist "Ansässigkeit" als "Steuerpflicht" in dem Staat der Gesellschaft zu verstehen. Entsprechend ist der Begriff des "anderen Vertragsstaats" als "anderen Staats" zu verstehen. Damit wird sichergestellt, dass die Zurechnung zu dem Zurechnungssubjekt nur erfolgt, wenn er in dem Staat des Zahlungsempfängers mit den Einkünften, aufgrund deren die Erstattung erfolgt, stpfl. ist. Die Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG auf Erstattungsansprüche nach § 44a Abs. 9 EStG führt auch zu Ergebnissen, die mit der Zielsetzung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG in Einklang stehen.
An der deutschen A-AG ist die Gesellschaft X in einem Nicht-DBA-Staat zu 100 % beteiligt. Die Gesellschaft X wird in Deutschland als intransparent, im Staat X als transparent angesehen. An ihr sind nur natürliche Personen beteiligt, die im Staat X ansässig sind. Die A-AG schüttet eine Dividende aus.
An sich würde der Gesellschaft X aus deutscher Sicht der Erstattungsanspruch auch § 44a Abs. 9 EStG zustehen, da sie nach deutscher Qualifikation eine Körperschaft und in Deutschland mit ihren Dividendeneinkünften beschr. stpfl. ist. Allerdings werden die Einkünfte im Staat X den Gesellschaftern steuerlich zugerechnet, sodass diese als natürliche Personen wirtschaftlich die Erstattung erhalten würden. Ein solches Ergebnis, nach dem die Erstattung Personen zugutekommt, die nicht die erforderliche Rechtsform aufweisen, will § 50d Abs. 1 S. 11 EStG verhindern. Der Erstattungsanspruch wird also in entsprechender Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG den Gesellschaftern zugeordnet, sodass die Erstattung verweigert wird, da die Gesellschafter keine Körperschaften sind.
Für die Rechtsfolgen der Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG im Rahmen des § 44a Abs. 9 EStG sind die folgenden Ausführungen entsprechend heranzuziehen.
Rz. 33j
§ 50d Abs. 1 S. 11 EStG gilt jedoch nicht für die Entlastung nach EU-Recht. Nicht erfasst wird damit die Reduzierung der KapESt nach der Mutter-Tochter-Richtlinie gem. § 43b EStG und nicht die Ermäßigungen aufgrund der Zins- und Lizenzrichtlinie nach § 50g EStG. Dies ist deshalb problematisch, weil auch für die Entlastung nach den EU-Richtlinien § 50d Abs. 1 S. 1 EStG gilt, d. h. die Regelung, dass trotz der Entlastungsberechtigung die Abzugsteuer einbehalten und an das FA abgeführt werden muss und der Gläubiger auf das Erstattungsverfahren verwiesen wird. Es kann damit bei hybriden Gesellschaftsformen die Situation eintreten, dass der "Gläubiger" der Erträge die Erstattung nach der EU-Richtlinie geltend macht, das "Zurechnungssubjekt" nach § 50d Abs. 1 S. 11 EStG dagegen nach DBA. Doppelerstattungen sind danach nicht ausgeschlossen.