Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 110
Schließlich steht der ausl. Gesellschaft nach § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EStG (bis 31.12.2011: Nr. 3) die Steuerentlastung nur zu, wenn sie mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Gewerbebetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Nicht einbezogen werden kann ein Geschäftsbetrieb einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft. Dazu ist ein Rückgriff auf S. 2 nicht erforderlich, obwohl sich diese Rechtsfolge auch aus S. 2 ergeben würde, dessen Anwendbarkeit nicht auf Nr. 1 eingeschränkt ist. Nach dem Zweck des Tatbestands der Nr. 2 ist auf den eigenen Geschäftsbetrieb der ausl. Gesellschaft abzustellen. Eine Zurechnung der Geschäftsbetriebe anderer Konzerngesellschaften ist danach ausgeschlossen.
Rz. 110a
Dieses Merkmal überschneidet sich teilweise mit dem Merkmal der "Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit". Wenn die ausl. Gesellschaft eine eigene Wirtschaftstätigkeit i. S. d. Nr. 2 hat, nimmt sie auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Wenn sie ihre wesentlichen Funktionen nicht durch Dritte erledigen lassen darf (Abs. 3 S. 3), sondern selbst erledigt, muss sie dazu die erforderlichen Ressourcen haben, also einen für ihre Funktion angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb. Gesetzestechnisch besser wäre es daher gewesen, diese Merkmale zusammenzufassen, da ihre Beurteilung praktisch zusammenfällt.
Rz. 111
Was ein "angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb" ist, richtet sich nach der Funktion (der eigenen Wirtschaftstätigkeit) der Gesellschaft. Der Geschäftsbetrieb muss so ausgestattet sein, dass die Gesellschaft ihre wesentlichen Funktionen selbst erfüllen kann. Eine Segmentierung der einzelnen Funktionen (Geschäftszwecke) ist nicht möglich; das Gesetz spricht von "dem" Geschäftszweck. Es kommt daher darauf an, dass der Geschäftsbetrieb für alle wesentlichen Funktionen der Gesellschaft angemessen ist. Der Geschäftsbetrieb muss dagegen nicht so groß sein, dass auch jede Nebenaufgabe selbst erfüllt wird. Ein angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb kann auch vorliegen, wenn sich die Gesellschaft zur Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit aufgrund eines Managementvertrags dessen Ressourcen und Arbeitskräften bedient. Allerdings dürfte dann bereits nach § 50d Abs. 3 S. 3 EStG keine eigene Wirtschaftstätigkeit vorliegen; andererseits bezieht sich das Verbot der Übertragung der Geschäftstätigkeit auf Dritte nach Abs. 3 S. 3 nur auf das Merkmal der "eigenen Wirtschaftstätigkeit", nicht auf das Merkmal des "angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs".
Rz. 111a
Es handelt sich um einen relativen Maßstab, d. h., ob der Umfang des Geschäftsbetriebs angemessen ist, richtet sich nach der Wirtschaftstätigkeit der konkreten Gesellschaft. Daher kann auch eine vergleichsweise geringe Geschäftsausstattung einen angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb darstellen. So wird eine geschäftsleitende Holding oder eine Finanzierungsgesellschaft nur wenige Manager und Sachbearbeiter benötigen. Eine solche Gesellschaft muss aber zumindest über eine Leitungsfunktion verfügen, die die wesentlichen Aufgaben selbstverantwortlich wahrnehmen kann, also bei einer Finanzierungsgesellschaft über Personen, die die Finanzierungsentscheidungen selbstständig und eigenverantwortlich treffen und die entsprechenden Verhandlungen führen. Eine Verkaufsgesellschaft muss dagegen, neben Managern, auch über die erforderliche Anzahl von Verkäufern bzw. Betreuern der selbstständigen Handelsvertreter verfügen. Immer zu einem angemessen eingerichteten Gewerbebetrieb gehören ein eigenes Büro in der für das beschäftigte Personal erforderlichen Größe und ein Geschäftsführer.
Rz. 112
Die Gesellschaft muss mit diesem angemessen ausgestatteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (§ 15 EStG Rz. 81ff.) teilnehmen, d. h., mit ihrer eigenen Wirtschaftstätigkeit nach außen (gegenüber dem Markt) auftreten. Die Auffassung von Schönfeld, es werde nicht verlangt, dass die Gesellschaft überhaupt am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme, sodass Entlastungsberechtigung bestehe, wenn die Gesellschaft nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, ist weder mit dem Zweck der Vorschrift noch mit ihrem Wortlaut zu vereinbaren.
Rz. 112a
Die Gesellschaft muss mit dem angemessenen Geschäftsbetrieb die zentralen Aktivitäten ihrer Wirtschaftstätigkeit entfalten. Das bloße Unterhalten des Geschäftsbetriebs (Büros) genügt also nicht, wenn keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet werden. Der Geschäftsbetrieb muss in angemessenem Umfang mit den Marktteilnehmern (den Kunden der eigenen Wirtschaftstätigkeit) in Beziehung treten. Dagegen ist nicht Voraussetzung, dass sie in ihrem Ansässigkeitsstaat am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Der Gesetzestext verlangt nur eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, ohne dass eine weitere Qualifizierung hinzutritt.
Rz. 113
Die Gesellschaft braucht nicht gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Marktteilnehmern a...