Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 10
Die Vorschrift richtet sich sowohl an den Schuldner der Zinsen und Lizenzgebühren als auch an den Gläubiger. Der Schuldner braucht den Steuerabzug vom Kapitalertrag bzw. nach § 50a EStG nicht vorzunehmen. Bei dem Gläubiger werden die Zahlungen aus der beschr. Steuerpflicht ausgeschieden.
Rz. 11
Von der Vorschrift betroffener Schuldner ist ein Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland oder eine in Deutschland belegene Betriebsstätte eines Unternehmens der EU (vgl. zur räumlichen Abgrenzung Rz. 16). Der Begriff des "Unternehmens" ist in § 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG definiert, der wiederum auf Anlage 3 Nr. 1 verweist. Im Ergebnis erfasst der Begriff des Unternehmens daher nur Körperschaften (für Deutschland nur AG, KGaA und GmbH sowie die SE); zu den Begriffen im Einzelnen vgl. Rz. 50. "Schuldner" ist diejenige Person, auf dessen Rechnung die Zahlung erfolgt und diese zum Erlöschen der gegen ihn gerichteten Ansprüche führt.
Rz. 12
Die Vorschrift erfasst auch Betriebsstätten eines Unternehmens der EU, die in Deutschland belegen ist und von der die Zahlung erfolgt. Auch hier muss das Unternehmen eine der in Anlage 3 aufgeführten Körperschaften sein. Die Vorschrift behandelt also Körperschaften und Betriebsstätten dieser Körperschaften gleich. Dies ist insofern bedeutsam, als Betriebsstätten nach den DBA nicht selbst abkommensberechtigt sind, die Quellensteuerbefreiung der DBA für Betriebsstätten also u. U. nicht gilt. Insoweit enthält § 50g EStG eine wichtige Erweiterung. Zu den räumlichen Voraussetzungen für das Unternehmen bzw. die Betriebsstätte als Schuldner vgl. Rz. 16.
Rz. 13
Der Empfänger (Gläubiger) der Zinsen oder Lizenzgebühren muss ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates der EU sein. Gläubiger ist derjenige, der die Zahlung in eigenem Namen und für eigene Rechnung vereinnahmt, also nicht ein Vertreter oder Treuhänder. Bei Auseinanderfallen von rechtlicher und wirtschaftlicher Berechtigung an der Forderung ist die wirtschaftliche Berechtigung (wirtschaftliches Eigentum) maßgebend. Der Gläubiger muss daher auch "Nutzungsberechtigter" sein; hierzu Rz. 40. Gläubiger ist bei Zahlung an eine Betriebsstätte das Unternehmen (die Körperschaft), nicht die Betriebsstätte. Die Betriebsstätte muss nach § 50g Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b EStG aber nutzungsberechtigt sein; hierzu Rz. 41. Der Begriff des Unternehmens richtet sich auch für den Zahlungsempfänger nach Abs. 3 Nr. 5; vgl. daher Rz. 49ff. Auch in diesem Fall sind nur die Rechtsformen begünstigt, die in Anlage 3 aufgeführt sind. Auch der Empfänger der Zahlungen muss daher eine Körperschaft sein.
Rz. 14
Wie bei der Definition des Schuldners (Rz. 22) wird auch der Begriff des Gläubigers auf Betriebsstätten ausgedehnt. Begünstigt sind daher Zahlungen an Betriebsstätten eines Unternehmens eines Mitgliedstaates der EU, wenn diese Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat der EU als der Bundesrepublik Deutschland belegen ist. Auch hinsichtlich des Gläubigers der Zahlungen behandelt das Gesetz also Körperschaften und Betriebsstätten der Körperschaften gleich. Zu den räumlichen Voraussetzungen für das Unternehmen bzw. die Betriebsstätte als Gläubiger vgl. Rz. 16.
Rz. 14a
Weitere Voraussetzung ist nach § 50g Abs. 1 S. 3 EStG, dass Gläubiger und Schuldner der Vergütungen "verbundene Unternehmen" nach Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b sind; s. zu diesem Begriff Rz. 52. Das gilt auch, soweit die Zahlungen zwischen Betriebsstätten erfolgen. Auch dann müssen die Unternehmen, zu denen die Betriebsstätten gehören, "verbundene Unternehmen" sein. Auswirkungen auf die Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen hat die Vorschrift daher nicht.
Rz. 15
Der Text der Vorschrift verlangt an sich nicht, dass die Zahlungen zwischen verschiedenen Unternehmen erfolgen müssen. Mittelbar ergibt sich das aber aus § 50g Abs. 1 S. 3 EStG; da hier verlangt wird, dass es sich um "verbundene Unternehmen" handelt, setzt dies 2 verschiedene Unternehmen voraus. Im Übrigen wäre eine andere Regelung auch gegenstandslos. Zwar wäre es denkbar, dass die Betriebsstätte eines Unternehmens in dem einen Staat Zinsen oder Lizenzgebühren an eine Betriebsstätte desselben Unternehmens in einem anderen EU-Staat zahlt. Aber abgesehen davon, dass dies die Frage aufwerfen würde, ob solche Zahlungen zwischen Betriebsstätten anzuerkennen wären (was nach der Tendenz der OECD, Betriebsstätten wie unabhängige Dritte zu behandeln, denkbar wäre), fällt in solchen Fällen nach deutschem Recht keine Abzugsteuer an, die Steuerbefreiung würde also ohnehin ins Leere gehen.