Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe, Prof. Dr. Axel Mutscher
Rz. 232
Nachträgliche Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB Aufwendungen, die durch eine Erweiterung eines Wirtschaftsguts oder durch eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
Rz. 233
Mit der Auslegung des Begriffs "Erweiterung eines Wirtschaftsguts" hat sich die Rspr. am Beispiel eines Gebäudes ausführlich beschäftigt: Danach ist eine Erweiterung zu bejahen,
- wenn die Substanz vermehrt, ein Gebäude z. B. aufgestockt wird, oder
- wenn die nutzbare Fläche vergrößert wird; dabei genügt auch eine geringfügige Vergrößerung der nutzbaren Fläche, z. B. durch Einbau einer Dachgaube oder den Ausbau des Dachgeschosses;
- wenn Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren.
Stets muss die Erweiterung zu einer Erhöhung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes führen. Hieran fehlt es beispielsweise, wenn die Funktion des eingebauten Gegenstands im Wesentlichen derjenigen des ausgetauschten Gegenstands entspricht. Es werden etwa Dachflächenfenster durch Dachgauben ersetzt. Es ist in diesem Fall jedoch dennoch eine Erweiterung zu bejahen, wenn durch den Einbau der Dachgauben zugleich zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird.
Diese Grundsätze gelten auch für bewegliche Wirtschaftsgüter. Aufwendungen, durch die ein bereits hergestelltes Wirtschaftsgut zwar verändert, aber weder erweitert noch über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert wird, sind keine Herstellungskosten, sondern sofort abzuziehender Erhaltungsaufwand. Dies gilt insbesondere für Aufwendungen, die lediglich dazu dienen, die Nutzungsfähigkeit des Wirtschaftsguts zu erhalten. Wird daher ein Leitungsnetz nur an die von der Gemeinde vorgenommene Änderung der Straßenführung angepasst, liegt sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand vor. Wird diese Änderung jedoch zum Anlass genommen, die alte Leitung durch eine neue mit höherer Durchsatzkapazität zu ersetzen, liegen Herstellungskosten vor.
Rz. 234
Nachträgliche Herstellungskosten sind außerdem Aufwendungen, die "für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung" (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB) entstehen. Ob eine wesentliche Verbesserung i. S. von § 255 Abs. 2 HGB erreicht wird, richtet sich danach, ob die durch die Baumaßnahmen bewirkten Veränderungen vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung zu einer höherwertigen (verbesserten) Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts führen. Während Aufwendungen zur Erweiterung eines Gebäudes regelmäßig nachträgliche Herstellungskosten sind, gilt dies für Aufwendungen zur Verbesserung eines Gebäudes nur, wenn die über den ursprünglichen Zustand hinausgehende Verbesserung wesentlich ist. Ursprünglicher Zustand ist derjenige im Zeitpunkt des Erwerbs oder der Herstellung. Ob eine Baumaßnahme nach § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungsaufwand führt, darf nicht anhand des gesamten Gebäudes, sondern nur anhand des entsprechenden Gebäudeteils geprüft werden, wenn das Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und deshalb mehrere Wirtschaftsgüter umfasst.
Umfassend mit der Problematik des Umbaus von Geschäftsräumen hat sich das Niedersächsische FG befasst. Danach sind die Kosten als Erweiterung und damit als nachträgliche Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 S. 1 HGB zu aktivieren, wenn der Umbau entweder zu einer Vergrößerung der Nutzfläche führt, oder wenn die Gebäudesubstanz durch den Einbau vermehrt wird und hierdurch eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten eintritt. Dabei ist unbeachtlich, ob die Erweiterung erheblich oder geringfügig ist. Irrelevant ist auch, ob das Gebäude ein einheitliches Wirtschaftsgut darstellt oder aber mehrere Wirtschaftsgüter.
Rz. 235
Eine wesentliche Verbesserung ist entsprechend der vorstehenden Rspr. zu bejahen,
- wenn ein nicht mehr nutzbares oder wertloses Haus zu einem neuen Haus ausgebaut wird; dies ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn das Haus nicht vermietbar ist, weil es modernen Ansprüchen nicht mehr genügt, sondern nur bei schweren Substanzschäden der die Nutzungsdauer bestimmenden Teile
- wenn der Gebrauchswert des Hauses als Ganzes durch Baumaßnahmen wesentlich verbessert wird. Eine "wesentliche Verbesserung" ist gegeben, wenn der Gebrauchswert (Nutzungspotenzial) eines Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird. Das ist der Fall, wenn mindestens drei der vier für den Gebrauchswert eines Gebäudes wesentlichen Bereiche (Heizungs-, Sanitär-, Elektroinstallationen, Fenster) im Standard wesentlich verbessert werden
- wenn die Baumaßnahmen eine maßgeblich höherwertigere Nutzung der vorhandenen Räume ermöglichen,
- wenn die Gesamtnutzungsdauer deutlich verlängert wird,
- wenn eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit durch "Umschaffung" eines bereits bestehenden Wirtschaftsguts geschaffen wird.
Rz. 236
Keine wesentliche Verbesserung und damit kein nachträg...