4.1 Unterscheidung zwischen Anwartschaft und Eintritt des Versorgungsfalls
Rz. 63
§ 6a Abs. 2 EStG unterscheidet für die erstmalige Rückstellungsbildung zwischen einer
- Rückstellung vor Eintritt des Versorgungsfalls (Abs. 2 Nr. 1),
- Rückstellung nach Eintritt des Versorgungsfalls (Abs. 2 Nr. 2).
Vor Eintritt des Versorgungsfalls, also im Zeitraum der Anwartschaft, darf eine Rückstellung frühestens für das Wirtschaftsjahr der Zusage gebildet werden (Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1). Diese Regelung ist deklaratorischer Natur, weil vor der Erteilung einer Pensionszusage bereits die Voraussetzungen des Abs. 1 (Rechtsanspruch aufgrund schriftlicher Erteilung) nicht erfüllt sein können. Der eigentliche Regelungsgehalt der Vorschrift liegt deshalb in Halbs. 2, nach dem eine Rückstellungsbildung an die Erreichung eines Mindestalters des Pensionsberechtigten (Rz. 68a) oder den Eintritt der Unverfallbarkeit (Rz. 68c) gebunden ist.
Nach Eintritt des Versorgungsfalls darf eine Rückstellung erstmals für das Wirtschaftsjahr gebildet werden, in dem der Versorgungsfall eintritt. Wesentliche Bedeutung hat bzw. hatte diese Vorschrift in der Zeit der Geltung des Passivierungswahlrechts, also für die sog. Altzusagen (Rz. 13ff.). Unterließ der Unternehmer für solche Altzusagen die Rückstellungsbildung im Anwartschaftszeitraum ganz oder teilweise, so konnte er mit Eintritt des Versorgungsfalls die unterlassene Rückstellungsbildung nachholen. Denn während der Anwartschaftszeit war er durch das Nachholungsverbot (Rz. 68, 88) an der Nachholung von in früheren Wirtschaftsjahren unterlassenen Rückstellungen gehindert. Die Anwendungsfälle unter der heutigen Geltung der Passivierungspflicht sind von geringer Bedeutung (Rz. 69).
4.2 Beginn der Anwartschaftsrückstellung (§ 6a Abs. 2 Nr. 1 EStG)
Rz. 64
Nach § 6a Abs. 2 Nr. 1 EStG der Vorschrift darf eine Rückstellung erstmals "für das Wirtschaftsjahr", d. h. in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres, gebildet werden, in dem die Pensionszusage erteilt wird, frühestens aber für das Wirtschaftsjahr, bis zu dessen Mitte der Pensionsberechtigte das 27. Lebensjahr (für Zusagen ab 2018 das 23. Lebensjahr, Rz. 68a) vollendet hat oder in dessen Verlauf die Pensionsanwartschaft nach den Vorschriften des BetrAVG unverfallbar wird.
4.2.1 Wirtschaftsjahr der Erteilung der Pensionszusage
Rz. 65
Erstmals gebildet werden darf eine Pensionsrückstellung für das Wirtschaftsjahr, in dem die Pensionszusage erteilt wird, und zwar in einer rückstellungsfähigen Weise, also insbesondere rechtsverbindlich, schriftlich und ohne schädlichen Widerrufsvorbehalt. Spätestens am Bilanzstichtag müssen die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, damit eine Rückstellung gebildet werden kann. Sie muss also nicht bereits während des gesamten Wirtschaftsjahres bestanden haben.
Erteilt sein muss die Zusage im maßgebenden Wirtschaftsjahr. Dies bedeutet bei der Einzelzusage, dass das schriftliche Angebot des Pensionsverpflichteten ausdrücklich oder konkludent dem Pensionsberechtigten spätestens am letzten Tag des Wirtschaftsjahres bekannt gegeben und von ihm angenommen sein muss. Bei Gesamtzusagen kommt es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die Belegschaft an.
Rz. 66
Sog. Warte- oder Vorschaltzeiten schieben die erstmalige Bilanzierung nicht hinaus, wenn die Bilanzierungsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen. Denn das Gesetz bindet die erstmalige Bilanzierung an die Erteilung der Zusage und nicht daran, für welchen Zeitpunkt die Zusage wirksam wird. Insbesondere bedeutet die Vereinbarung einer Wartezeit nicht, dass ein Rechtsanspruch i. S. d. Abs. 1 Nr. 1 nicht entstehen würde (Rz. 87c).
Rz. 67
Wird die Pensionszusage bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zugesagt, so kann frühestens im Wirtschaftsjahr der Arbeitsaufnahme eine Rückstellung gebildet werden, weil erst ab diesem Zeitpunkt die Rückstellung erdient werden kann, also auch erst dann eine wirtschaftliche Verursachung vorliegt. Zur Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern vgl. Rz. 86.
Rz. 68
Für den Geltungsbereich des Bilanzierungswahlrechts (Altzusagen, Rz. 13) gilt Folgendes: Unterlässt der Unternehmer die Rückstellungsbildung im Erstjahr, so kann er in Höhe des in diesem Wirtschaftsjahr berücksichtigungsfähigen Rückstellungsbetrags die Rückstellungen im Anwartschaftszeitraum nicht mehr nachholen. Das Nachholverbot (Rz. 88), das sich aus der Regelung in § 6a Abs. 4 EStG herleitet, gilt in gleicher Weise für Erst- wie auch für Folgejahre. Beruht die Unterlassung im Erstjahr auf dem Entschluss, das Wahlrecht für die Rückstellungsbildung überhaupt nicht in Anspruch zu nehmen, so kann gleichwohl in den Folgejahren das Wahlrecht ausgeübt und mit einer Rückstellungsbildung begonnen werden; allerdings können die versäumten Zuführungen der früheren Wirtschaftsjahre nicht nachgeholt werden. Das Wahlrecht kann für jedes Wirtschaftsjahr neu ausgeübt werden, sodass ohne Weiteres für einzelne Wirtschaftsjahre im Anwartschaftszeitraum Zuführungen vorgenommen werden können, für andere nicht. Diese Handhabung steht nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, denn es besteht kein Zwang zum "alles oder nichts". Es können vielmehr auch Zwisch...