5.1 Versicherungsmathematische Grundlagen
5.1.1 Allgemeines
Rz. 71
§ 6a Abs. 3 EStG umschreibt den Begriff des Teilwerts der Pensionsverpflichtung für die Zeit vor und nach dem Eintritt des Versorgungsfalls. Durch den Teilwert wird die Obergrenze des Bilanzausweises einer Pensionsrückstellung an einem bestimmten Bilanzstichtag gezogen. Er ist aber auch über § 6a Abs. 4 EStG unmittelbar wirksam für die Höhe der in einem Wirtschaftsjahr zulässigen Zuführung zu einer Pensionsrückstellung, denn der Höchstbetrag der Zuführung ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag des Teilwerts am Schluss des Wirtschaftsjahres und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, also durch den Betrag seines Anwachsens im Wirtschaftsjahr.
Aus dem Zusammenhang der Regelungen in § 6a Abs. 3 und 4 EStG wird erkennbar, dass im Unterschied zu Rückstellungen im Allgemeinen eine Pensionsrückstellung nicht in einem Betrag zurückgestellt werden darf. Der Rückstellungsbetrag ist vielmehr kontinuierlich bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls "anzusparen". Dies entsprach früher der Vorstellung, die Pensionsrückstellung sei eine Art Selbstversicherung gegen das mit der Zusage übernommene Versorgungsrisiko (Rz. 1). Nach heutiger Ansicht beruht dies auf dem Umstand, dass Pensionszusagen für die langjährige Betriebstreue des Arbeitnehmers gewährt werden, ihnen also i. w. S. Entgeltcharakter zukommt und der damit verbundene Aufwand mithin wirtschaftlich den Wirtschaftsjahren der Arbeitsleistung anteilig zuzurechnen ist (Rz. 8), sodass entsprechend der dynamischen Bilanzlehre die Kosten einer Pensionszusage in den Wirtschaftsjahren der aktiven Tätigkeit des Begünstigten zu erfassen sind.
Rz. 72
Nach § 6a Abs. 3 S. 3 EStG sind bei der Berechnung des Teilwerts die "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik" anzuwenden. Versicherungsmathematik ist ein Gebiet der angewandten Mathematik, in dem unter Anwendung von Statistik, Wahrscheinlichkeits- und Zinsrechnung insbesondere im Bereich der Lebensversicherungswirtschaft der voraussichtliche Schadensverlauf ermittelt und die Höhe der angemessenen Prämien errechnet wird.
Durch die globale Verweisung auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik werden diese Bestandteile des Regelungsgehalts des § 6a EStG. Zusätzlich wird in § 6a Abs. 3 S. 2 EStG der Begriff des Teilwerts inhaltlich näher bestimmt, sodass der durch die Globalverweisung ungenaue Regelungsgehalt ausreichend präzisiert wird.
5.1.2 Versicherungsmathematische Gleichverteilung
Rz. 73
Die versicherungsmathematische Gleichverteilung beruht auf der Überlegung, dass die Ansammlung einer Rückstellung auf einen bestimmten Zeitraum zu verteilen ist. Endzeitpunkt dieses Zeitraums ist der voraussichtliche Eintritt des Versorgungsfalls. Anfangszeitpunkt ist beim geltenden Teilwertverfahren der Zeitpunkt des Dienstbeginns, genauer der Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat.
Rz. 74
Die Rückstellung ist dabei gleichmäßig auf die in diesem Zeitraum liegenden Wirtschaftsjahre zu verteilen. Die gleichmäßige Verteilung (Gleichverteilung) ist dabei keine arithmetische, sondern eine versicherungsmathematische. Dies bedeutet, dass die Gleichverteilung unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszinsen sowie der biologischen Wahrscheinlichkeiten des Eintritts des Versorgungsfalls zu erfolgen hat. Dabei entstehen Zuführungsbeträge, die der Höhe nach ständig zunehmen, je näher der Zeitpunkt des voraussichtlichen Eintritts des Versorgungsfalls rückt.
Beide Faktoren (Zins und Wahrscheinlichkeit des Eintritts) verändern sich nämlich mit fortschreitendem Verlauf der Versorgungsanwartschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein 64-Jähriger den Eintritt des Versorgungsfalls mit Erreichen des 65. Lebensjahres erlebt, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass ein 30-Jähriger 65 Jahre alt wird. Die Zinskomponente unterliegt ebenfalls einer zeitabhängigen Veränderung, weil später zurückgestelltes Kapital weniger (fiktive) Zinserträge beisteuert, die erforderliche Zuführung also anteilig mehr Kapital erfordert; dabei liegt der Gedanke der "Eigenversicherung" zugrunde, wonach zur Rückstellungsbildung neben den Kapitalzuführungen auch die – fiktiven – Erträge des bereits angesammelten Kapitals zu verwenden sind.
5.1.3 Teilwertverfahren
Rz. 75
Das seit 1975 geltende Teilwertverfahren ist ebenfalls eine Art versicherungsmathematischer Gleichverteilung. Allerdings wird hierbei die Verteilung nicht nur auf den Zeitraum zwischen Zusage und voraussichtlichem Versorgungseintritt vorgenommen; der Verteilungszeitraum beginnt vielmehr grundsätzlich bereits mit Beginn des Dienstverhältnisses, frühestens jedoch mit Beginn des Wirtschaftsjahres, bis zu dessen Mitte der Berechtigte das erforderliche Lebensjahr (Rz. 68a) vollendet hat. Wird – wie üblich – die Zusage nicht bei Dienstbeginn, sondern erst später erteilt, so entfällt ein Teil des Rückstellungsvolumens rechnerisch auf die Zeit zwischen Dienstbeginn und Versorgungszusage. Dieser Teil des Rückstellungsvolumens kann im Wirtschaftsjahr der ersten Rückstellungsbil...