Rz. 15
Eine Veräußerung liegt nur dann vor, wenn Veräußerer und Erwerber verschiedene Rechtssubjekte sind. § 6b EStG kann deshalb bei Übertragung eines Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Stpfl. nicht in Anspruch genommen werden. Hat ein Stpfl. mehrere Betriebe, so können die bei der Veräußerung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen aufgedeckten stillen Reserven jedoch auch auf Reinvestitionsgüter übertragen werden, die zu einem anderen Betriebsvermögen desselben Stpfl. gehören.
3.1 Gesellschafter- oder gesellschaftsbezogene Betrachtung
Rz. 16
Nach der Rspr. des BFH und der h. M. war § 6b EStG bis zu der Einfügung des § 6b Abs. 10 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 als eine personenbezogene Steuervergünstigung zu verstehen. Die Vorschrift soll danach denjenigen begünstigen, der den Veräußerungsgewinn zu versteuern hat. Die h. M. knüpft an die Grundentscheidung des deutschen ESt-Rechts an, dass die Personengesellschaft trotz ihrer gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Verselbstständigung als Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinnermittlung einkommensteuerrechtlich kein selbstständiges Rechtssubjekt ist, dem Einkommen zugerechnet wird. Rechtssubjekte sind danach die Mitunternehmer, die den Veräußerungsgewinn auf der Grundlage der bei der Personengesellschaft erfolgten Gewinnfeststellung zu versteuern haben.
Rz. 17
Nach dieser Auffassung wird die für die Anwendung von § 6b EStG erforderliche Identität zwischen Veräußerer (Gesellschaft) und Stpfl. (Gesellschafter) auch dann als gegeben angesehen, wenn sich das veräußerte Wirtschaftsgut im Gesamthandseigentum der Gesellschaft befunden hat. § 6b EStG lässt es dann auch zu, Rücklagen, die im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gebildet worden waren, auf Wirtschaftsgüter in einem anderen Betrieb oder Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers zu übertragen, soweit ihm der Veräußerungsgewinn anteilig zuzurechnen ist; umgekehrt können aufgedeckte stille Reserven aus einem Einzelunternehmen oder einem Sonderbetriebsvermögen eines Stpfl. auf Anschaffungs-/Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, an der der Stpfl. beteiligt ist, übertragen werden (R 6b.2 Abs. 6, 7 EStR 2012). Die Personengebundenheit der Steuervergünstigung hat auch zur Folge, dass etwa bei Veräußerung eines zum Sonderbetriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts nur der betreffende Mitunternehmer das Wahlrecht nach § 6b Abs. 3 EStG ausüben kann. Diese Grundsätze gelten für eine Kapitalgesellschaft, die als Mitunternehmer an einer Personengesellschaft beteiligt ist, entsprechend (R 8.1 KStR 2022).
Rz. 18–24 einstweilen frei
3.2 Rückkehr zur gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise
Rz. 25
Während der Vz 1999 bis 2001 galt vorübergehend die gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise Die Neuregelung sollte im Rahmen der Neukonzeption der §§ 6 Abs. 3 und 5, 16 Abs. 3 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 für die notwendige Synchronisierung sorgen. Bei Erwerbsvorgängen nach dem 31.12.1998 war nach § 6 Abs. 5 EStG i. d. F. des StEntlG die Buchwertfortführung bei einem Rechtsträgerwechsel ausgeschlossen. Wäre § 6b EStG nicht angepasst worden, hätte die Aufdeckung stiller Reserven im Anwendungsbereich von § 6b EStG umgangen werden können. Zugleich zielte die Reform darauf ab, Gestaltungsmodelle zu verhindern, bei denen § 6b EStG zur Verschaffung von Abschreibungsverlusten im Rahmen von Steuersparmodellen genutzt werden konnte, indem die bisher zulässigen Übertragungsmöglichkeiten von Mitunternehmern erheblich eingeschränkt werden. Die Übertragung stiller Reserven zwischen dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und dem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers (und umgekehrt) war nicht mehr zulässig. Die Einschränkungen bestanden also nur, soweit die § 6b-Rücklage im Gesamthandsvermögen gebildet wurde. Da aber Mitunternehmer nach wie vor hinsichtlich ihrer Unternehmenseinkünfte wie Einzelunternehmer behandelt werden, ist ...