Prof. Dr. Georg Schnitter
8.1 Allgemeines
Rz. 245
Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 EStG jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen). Die AfA bemisst sich hierbei nach § 7 Abs. 1 S. 2 EStG nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts.
Rz. 246
Bei der linearen AfA werden die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten in gleich bleibende Teilbeträge gem. der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer in Jahren zerlegt und in jedem Nutzungsjahr ein entsprechender Teilbetrag zum Abzug zugelassen. Die lineare AfA ist der Regelfall der AfA. Sie steht als AfA-Methode für abnutzbare materielle bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter, die weder Gebäude noch diesen nach § 7 Abs. 5a EStG gleichgestellte Wirtschaftsgüter sind, sowie abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter zur Verfügung. Geltung hat § 7 Abs. 1 S. 1 EStG grundsätzlich im Rahmen aller Einkunftsarten.
8.2 Gegenstand der linearen AfA
8.2.1 Allgemeines
Rz. 247
Gegenstand der linearen AfA sind abnutzbare Wirtschaftsgüter mit erfahrungsgemäß mehr als einjähriger Verwendung zur Einkunftserzielung. Für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter kommt eine AfA nicht in Betracht.
8.2.2 Wirtschaftsgüter
Rz. 248
AfA sind vorzunehmen bei Wirtschaftsgütern. Was unter einem Wirtschaftsgut zu verstehen ist, ist weder in § 7 EStG noch in anderen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften geregelt. Der steuerrechtliche Wirtschaftsgutbegriff entspricht im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung dem Begriff des handelsrechtlichen Vermögensgegenstands in § 240 Abs. 1 HGB. Zulässig ist AfA nur bei positiven Wirtschaftsgütern. Nicht der AfA unterliegen z. B. Verbindlichkeiten oder Rechnungsabgrenzungsposten. Die Wirtschaftsgüter müssen im Bereich des Betriebsvermögens zum Anlagevermögen und im Bereich des Privatvermögens zum Einkunftserzielungsvermögen rechnen.
Rz. 249
Wirtschaftsgüter stellen aktivierungsfähige vermögenswerte Vorteile dar, die einer selbstständigen Bewertung zugänglich und von einem längerfristigen Nutzen sind. Dabei umfasst der Begriff des Wirtschaftsguts nicht nur Gegenstände des bürgerlichen Rechts, wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer konkreten Bewertung zugänglich sind. Die selbstständige Bewertbarkeit ist gegeben, wenn das Wirtschaftsgut in seiner Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist. Die selbstständige Nutzbarkeit ist nicht Begriffsmerkmal des Wirtschaftsguts. Keine Wirtschaftsgüter sind rein tatsächliche Nutzungen oder Nutzungsvorteile.
Rz. 250
Was als Wirtschaftsgut anzusehen ist, ist für das Betriebsvermögen und das Privatvermögen gleich zu beantworten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Begriff Wirtschaftsgut seinen Ursprung im Bereich der Gewinneinkünfte hat.
Rz. 251
Bilanzrechtlich bildet ein selbstständiges Wirtschaftsgut eine Ansatz- und Bewertungseinheit, woraus für den Bereich des § 7 EStG das Prinzip der Einzelbewertung und das Prinzip der Einzelabschreibung von Wirtschaftsgütern folgt. Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens. Damit ist eine einheitliche AfA für mehrere selbstständige Wirtschaftsgüter ebenso ausgeschlossen wie eine abschreibungsbezogene Zerlegung eines einheitlichen selbstständigen Wirtschaftsguts in mehrere Teile.
Rz. 252
Ob ein Gegenstand selbstständig bewertbar ist oder mehrere Gegenstände nur als Einheit zu bewerten sind, bestimmt sich nicht nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts, sondern nach der Verkehrsauffassung und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Die Möglichkeit der Einzelbewertung scheidet aus, wenn ein Gegenstand mit einem oder mehreren anderen Gegenständen derart verbunden ist, dass er nur in der Gesamtheit mit dem anderen Gegenstand, als dessen Teil er sich darstellt, einer Bewertung zugänglich ist oder wenn zwischen den verschiedenen Gegenständen ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht. Keine relevanten Abgrenzungskriterien sind die selbstständige Nutzbarkeit des Gegenstands, die Höhe der Aufwendungen und die Nutzungsdauer oder die Gleichzeitigkeit der Anschaffung oder Herstellung. Maßgebend für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung des Wirtschaftsguts, nicht bereits der der Anschaffung bzw. Herstellung.
Rz. 253
Bei Gesamtanlagen wird man insbesondere dann ein einheitliches Wirtschaftsgut annehmen können, wenn eine Anlage nach außen als ein einziges Ganzes in Erscheinung tritt, die einzelnen Gegenstände fest und auf Dauer miteinander verbunden sind, die Anlage nur in dieser Zusammenfügung für die von ihr zu erbringenden Leistungen im Betrieb eingesetzt werden kann und die einzelnen T...