Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 43
Zentrales Merkmal und gleichzeitig zentrale Streitfrage des § 7g Abs. 3-7 EStG a. F. ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine "voraussichtliche" Anschaffung bejaht werden kann. Rspr. und ihr folgend die Finanzverwaltung haben insoweit einige tatbestandseinschränkende – zum Teil allerdings abzulehnende (Finanzierungszusammenhang, vgl. Rz. 49, 50) – Kriterien entwickelt, nämlich die Erfordernisse
- einer rechtzeitigen Konkretisierung innerhalb des zweijährigen Ansparzeitraums (Rz. 44),
- eines Finanzierungszusammenhangs (vgl. Rz. 49f.; BMF v. 25.2.2004, IV A 6 – S 2183b – 1/04, BStBl I 2004, 337, Rz. 12),
- der fortbestehenden Möglichkeit zur Investition zum Zeitpunkt der Rücklagenbildung in einem weiterhin bestehenden aktiven Betrieb, wobei grundsätzlich die Möglichkeit im Zeitpunkt der Geltendmachung beim Finanzamt noch fortbestehen muss (vgl. Rz. 55),
- einer Verfolgbarkeit innerhalb der Buchführung des Investitionszeitraums (vgl. Rz. 58; BMF v. 25.2.2004, IV A 6 – S 2183b – 1/04, BStBl I 2004, 337, Rz. 10).
Schließlich muss es sich um einen Erwerb bzw. eine Herstellung handeln, der erst in künftigen Jahren vorgenommen werden soll. Das Wirtschaftsgut darf im Fall der Anschaffung also noch nicht bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs der Investition geliefert, im Fall der Herstellung noch nicht fertig gestellt sein. Herstellungs- bzw. Fertigungsbeginn sind daher für eine Rücklagenbildung nicht schädlich; allerdings kann keine Rücklage gebildet werden, wenn
- die Herstellung/Anschaffung schon im Jahr der beabsichtigten Rücklagenbildung erfolgen soll (vgl. § 7g Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F.),
- der Stpfl. Wirtschaftsgüter unentgeltlich erwerben will oder gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG in sein Betriebsvermögen einzulegen beabsichtigt (Meyer, in H/H/R, EStG, § 7g EStG a. F. Rz. 85).
Durch § 7g EStG n. F. i. d. F. des UntStReformG (vgl. Rz. 1) wurde nunmehr für § 7g EStG n. F. ergänzt, dass der Steuerpflichtige eine Investition beabsichtigen muss. Hierdurch wurde klargestellt, dass es eine Prognoseentscheidung aus Sicht des Jahres der Bildung der Ansparrücklage vorzunehmen ist und die Investitionsabsicht zum Tatbestandsmerkmal erhoben.
6.5.1 Ansparzeitraum
Rz. 44
Der Ansparzeitraum, innerhalb dessen eine Investition erfolgen muss, beginnt im Wirtschaftsjahr der Rücklagenbildung und endet mit Ablauf des darauf folgenden zweiten Wirtschaftsjahres; erst durch § 7g i. d. F. des UntStReformG wurde die Investitionsfrist auf 3 Jahre verlängert. Irrelevant ist, ob es sich bei den Wirtschaftsjahren um Rumpfwirtschaftsjahre handelt. Jedes Wirtschaftsjahr zählt also voll mit. Ein Rumpfwirtschaftsjahr im Ansparzeitraum verkürzt daher die Ansparphase.
Bei Rücklagenbildung vor abgeschlossener Betriebseröffnung – dies setzt grundsätzlich eine verbindliche Bestellung bzw. Herstellungsbeginn voraus (s. Rz. 51) – werden nach Auffassung der Finanzverwaltung das Jahr der Rücklagenbildung sowie die darauf folgenden Jahre einschl. des Jahres der Betriebseröffnung "jeweils" als ein Wirtschaftsjahr behandelt. Gemeint ist mit "jeweils" nach Sinn und Zweck "insgesamt" (Meyer, in H/H/R, EStG, § 7g EStG a. F. Rz. 94). Somit kann der Stpfl. eine zulässigerweise in der Gründungsphase gebildete Rücklage (vgl. Rz. 51) u. U. auch für einen längeren Zeitraum als 2 Jahren beibehalten.
Der Stpfl. beabsichtigt ab dem Jahr 01 einen Maschinenhandel zu eröffnen. Im Jahr 03 erwirbt er das Betriebsgrundstück; die Maschinen bestellt er in 01 für 02. Er beginnt ab dem 1.2.03 mit der Tätigkeit. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.
Die Betriebseröffnung dauert vom Jahr 01 bis zum Jahr 03; die Jahre 01 bis 03 werden somit als ein Jahr i. S. v. § 7g EStG a. F. behandelt. Der Ansparzeitraum endet zum 31.12.05. Käme es hingegen nicht zur Betriebseröffnung, ist die Rücklage nach Auffassung der Finanzverwaltung aufzulösen, sobald feststeht, dass der Betrieb nicht eröffnet werden wird.
6.5.2 Rücklagenbildung und Konkretisierung
Rz. 45
Voraussetzung für eine Rücklagenbildung ist, dass die geplante Anschaffung in geeigneter Form konkretisiert worden ist. Insoweit unterscheidet die h. M. und die Finanzverwaltung zwischen Rücklagen, die bereits in der ersten Gewinnermittlung gebildet worden sind (Rz. 46), und solchen, die erst im Nachhinein geltend gemacht werden (Rz. 47ff.).
6.5.2.1 Rücklagenbildung anlässlich der (ersten) Gewinnermittlung
Rz. 46
Rücklagen, die anlässlich der Abgabe der ersten Gewinnermittlung geltend gemacht werden, sind grundsätzlich zulässig, auch wenn sie nach bereits vorgenommener Investitoin geltend gemacht werden. Nach Auffassung der Verwalt...