Rz. 60

Erfolgt eine Investition in ein Wirtschaftsgut, das die Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 S. 1 EStG erfüllt, kann der Stpfl. einen – in einem Vorjahr gebildeten Investitionsabzugsbetrag – auflösen. Dazu muss der laufende Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Investition erfolgt ist, außerbilanziell erhöht werden. Die Hinzurechnung kann bis zu 50 % (ab 2020) bzw. 40 % (bis 31.12.2019) der Anschaffungs- oder Herstellungskosten betragen. Ein verbleibender Investitionsabzugsbetrag kann bis zum Ablauf der Investitionsfrist stehen bleiben. Ist in diesem Zeitraum keine Investition geplant oder absehbar, sollte über eine vorzeitige Rückgängigmachung nachgedacht werden (s. dazu Rz. 66). Auf die Größenmerkmale des § 7g EStG wirkt sich die Hinzurechnung nicht aus.

 

Rz. 60a

Das Steuerrecht enthält keine eigene steuerrechtliche Definition der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ist daher nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) auf die handelsrechtlichen Definitionen in § 255 HGB zurückzugreifen.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 HGB "die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können". Somit gehören nicht nur die eigentlichen Anschaffungskosten dazu, sondern auch die Anschaffungsnebenkosten. Abzuziehen sind die Preisminderungen. Näheres siehe § 6 EStG Rz. 97ff.

Der handelsrechtliche Herstellungskostenbegriff des § 255 Abs. 2 HGB umfasst die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Näheres siehe § 6 EStG Rz. 198ff.

Bemessungsgrundlage für das Wahlrecht nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG kann ein Betrag sein, der die so ermittelten gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten in voller Höhe umfasst, aber auch nur einen Teilbetrag.

 

Rz. 60aa

Der Antrag auf den Investitionsabzugsbetrag kann nicht nur im Rahmen der erstmaligen Steuererklärung gestellt werden. Sofern die Veranlagung verfahrensrechtlich noch änderbar ist (z. B. bei Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO) ist auch noch eine nachträgliche Beantragung möglich.[1]

Diese Möglichkeit wurde in der Vergangenheit insb. im Rahmen von Betriebsprüfungen dafür genutzt, die bei der Prüfung festgestellten Mehrergebnisse durch Inanspruchnahme des § 7g EStG zu kompensieren.

Mit dem JStG 2020 wurde mit § 7g Abs. 2 S. 2 EStG eine zeitliche Beschränkung in den Gesetzestext eingefügt. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 1.1.2021 enden, gelten Einschränkungen für die Hinzurechnung von Investitionsabzugsbeträge nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG, die erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung oder der erstmaligen gesonderten Feststellung beim FA geltend gemacht werden.

Unanfechtbar werden Bescheide mit Ablauf der Einspruchsfrist bzw. Beendigung eines Einspruchs-/Klageverfahrens. Die Einschränkungen gelten somit auch für Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO ergangen sind, wenn der Antrag auf die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags nach diesem Zeitpunkt beim FA eingeht. Begründet wird diese Regelung damit, dass der Abzugsbetrag in diesen Fällen nicht mehr der Finanzierung von Investitionen dient und somit dem Sinn und Zweck des § 7g EStG, die Finanzierung von künftigen Investitionen zu erleichtern, widerspricht.[2]

Zulässig bleibt die Hinzurechnung, wenn das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Änderungsantrags noch nicht angeschafft/hergestellt worden ist.

 
Praxis-Beispiel

Für den Vz 01 ergeht der ESt-Bescheid am 10.5.03 unter Vorbehalt der Nachprüfung. Der Bescheid wird bestandskräftig. Im Rahmen der Betriebsprüfung für die Vz 01 bis 03 im Mai 05 beantragt der Stpfl. die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags i. H. v. 50.000 EUR für das Jahr 01. Er möchte diesen für eine im Januar 04 getätigte Investition nutzen und das Wahlrecht nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG ausüben. Die Bildung des Investitionsabzugsbetrags ist grundsätzlich unbeschränkt möglich, solange der Bescheid noch änderbar ist, somit auch für das Jahr 01. Allerdings ist die Nutzung des Betrags im Mai 05 für ein bereits angeschafftes Wirtschaftsgut nach § 7g Abs. 2 S. 2 EStG nicht zulässig. Da der Begünstigungszeitraum des § 7g EStG für ein für 01 gebildeten Betrag bereits am 31.12.04 abgelaufen ist, muss der Investitionsabzugsbetrag in 01 wieder aufgelöst werden, sodass der Antrag ins Leere läuft.

Abwandlung: Der Stpfl. hat gegen den ursprünglichen Bescheid Einspruch eingelegt, über den bis Mai 05 noch nicht entschieden wurde. In diesem Fall gilt die Einschränkung in § 7g Abs. 2 S. 2 EStG nicht, sodass der Investitionsabzugsbetrag in 01 gebildet und in 04 nach § 7g Abs. 3 S. 1 EStG aufgelöst werden kann.

 

Rz. 60ab

Die Zurechnung ist in persönlich...

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