Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Rz. 204
Der Begründung zum Entwurf des StReformG 1990 lässt sich zum Begriff der Dienstleistungen i. S. v. Abs. 2 nichts entnehmen. Vom Wortlaut her knüpft die Regelung an die Leistung von "Diensten", d. h. an die Bestimmungen über den Dienstvertrag nach den §§ 611ff. BGB an. Gegenstand eines bürgerlich-rechtlichen Dienstvertrags können sowohl unselbstständige (abhängige) Dienstleistungen (Arbeitsverhältnis) als auch Dienste in wirtschaftlicher und rechtlicher Selbstständigkeit (selbstständige Tätigkeit, sog. freier Dienstvertrag) sein, wobei die Dienstleistung vom Beauftragten nicht unbedingt persönlich zu erbringen ist, sondern delegiert werden kann.
Rz. 205
Die Beschränkung der Dienstleistungen i. S. v. Abs. 3 auf solche Leistungen, die Gegenstand eines Dienstverhältnisses im bürgerlich-rechtlichen Sinne sein können, wäre indes zu eng. Entscheidend ist, dass – anders als bei dem bloßen Bezug einer Ware und über eine reine Gebrauchsüberlassung hinaus – seitens des Arbeitgebers eine Tätigkeit erbracht wird, die beim Arbeitnehmer zum Zufluss eines objektiv bewertbaren wirtschaftlichen Vorteils führt, z. B. bei der Ausführung von Wartungs-, Inspektions- und Reparaturleistungen an einem Jahreswagen oder bei der Übernahme der Kontoführung für die Arbeitnehmer eines Kreditinstituts. Sämtliche, mit einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Tätigkeit des Arbeitgebers verbundenen Zuflüsse, die nicht im Bezug von Waren bestehen, sind daher unter den Begriff der Dienstleistungen i. S. v. Abs. 3 S. 1 zu subsumieren, gleichgültig, ob diese Tätigkeit Gegenstand eines bürgerlich-rechtlichen Dienstvertrags sein könnte. Auch Leistungen aufseiten des Arbeitgebers, die dem Rahmen eines Werkvertrags (§ 631 BGB), Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB) oder Auftrags (§ 662 BGB) entsprechen, fallen darunter (z. B. Architekten- und Bauleistungen für Arbeitnehmer eines Bauunternehmers, ärztliche Betreuung für Klinikpersonal, Ferienaufenthalte für Mitarbeiter eines Reisebüros usw.).
Rz. 206
In welchem Umfang die reine Überlassung von Gegenständen oder Kapital – ohne eine nennenswerte Tätigkeit des Arbeitgebers – zur verbilligten oder kostenlosen Nutzung (Wohnungsüberlassung, Pkw-Gestellung, Mitarbeiterdarlehen, Überlassung von Maschinen, möblierten Zimmern, Grundstücken usw.) unter den Begriff der Dienstleistung fällt, war zunächst umstritten.
Rz. 207
Der BFH hat sich dem weiten Verständnis des Begriffs "Dienstleistungen" angeschlossen. Die Begriffe "Waren oder Dienstleistungen" sind wirtschaftlich zu verstehen und umfassen die gesamte eigene Liefer- und Leistungspalette des jeweiligen Arbeitgebers. Dienstleistungen i. S. v. Abs. 3 sind daher auch Nutzungsüberlassungen. Die Freibetragsregelung gilt somit auch für die leih- oder mietweise Überlassung von Grundstücken, Wohnungen, möblierten Zimmern, Kfz, Maschinen und anderen beweglichen Sachen, Gewährung von Versicherungsschutz sowie für die Gewährung von zinsgünstigen Darlehen. Entscheidend für diese weite Auslegung ist, dass nur auf diese Weise eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Gruppe von Arbeitnehmern vermieden werden kann, deren Arbeitgeber sich auf dem Gebiet der Nutzungsüberlassung betätigt. Die Verwaltung hat sich dieser Auslegung angeschlossen (H 8.2 Dienstleistungen EStH 2022). Damit können sämtliche Leistungen, die der Arbeitgeber in irgendeiner Form im Wirtschaftsleben erbringt, unter die Rabattregelung fallen. In Mischfällen ist deshalb eine Abgrenzung zwischen Waren und Dienstleistungen bzw. eine Subsumtion unter diese Begriffe nicht erforderlich.