Ulrike Reymann, Thomas Dammers
6.1 Inhalt
Rz. 17
§ 90 Abs. 4 EStG regelt das Verfahren, das zur förmlichen Festsetzung der Zulage führt. Bis 31.12.2023 beschränkt sich dieses Verfahren darauf, dem Zulageberechtigten durch ein Antragsrecht die Möglichkeit zu eröffnen, nach Durchführung des in § 90 Abs. 2 und 3 EStG geregelten maschinellen Verfahrens die Angelegenheit einer manuellen Bearbeitung zuzuführen.
Ab 1.1.2024 werden im Zuge des JStG 2022 weitere Möglichkeiten ergänzt. So muss die Festsetzung von Amts wegen erfolgen, wenn die beantragte von der gewährten Zulage abweicht oder eine Rückforderung nach § 90 Abs. 3 EStG erfolgt (Rz. 24). Zudem wird die Festsetzung auf Anforderung des zuständigen FA eingeführt (Rz. 25).
6.2 Zweck der Regelung
Rz. 18
Hinter der Schaffung einer derartigen Rechtsschutzmöglichkeit eigener Art steht die Automatisierung der Verfahrensabläufe. Der Gesetzgeber hat die Gewährung der Zulage weitgehend maschinell ausgestaltet. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Verwaltungskosten in einem vertretbaren Ausmaß zur Höhe der Zulagengewährung stehen. Hinzu kommt, dass es sich bei der Gewährung von Altersvorsorgezulage um eine Vielzahl ähnlicher, weitestgehend vorhersehbarer Fallgestaltungen handelt, für die sich ein automatisiertes Verfahren besonders eignet.
Kehrseite der Grundentscheidung für ein automatisiertes Verfahren ist jedoch die Abhängigkeit von Computerprogrammen bei der Ausgestaltung des Verfahrens. Während juristisch betrachtet eine abstrakt-generelle Norm ausreicht, um eine unbestimmte Anzahl unterschiedlicher Lebenssachverhalte abschließend zu regeln, bedarf es bei der Programmierung von Software exakter Angaben darüber, bei welchem Ereignis was für eine Berechnung oder Reaktion ausgelöst werden soll. Die Programmierung von Sondersachverhalten ist jedoch nicht für alle Fallkonstellationen abschließend vorhersehbar. Hinzu kommt, dass die automatische Verarbeitung in besonderem Maße auf vollständige und richtige Angaben angewiesen ist. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Festsetzung nach § 90 Abs. 4 EStG geschaffen. Mit dieser Verfahrensstufe bleibt eine adäquate Bearbeitung jedes Einzelfalls möglich.
Der BFH hat den Antrag auf Festsetzung nach § 90 Abs. 4 EStG als "dritte Stufe" des dreistufigen gesetzlichen Verfahrens bezeichnet.
Rz. 18a
Die Einführung der neuen Möglichkeit der Festsetzung verfolgt verschiedene Zwecke. Die Festsetzung von Amts wegen soll größere Transparenz über das Handeln der Verwaltung schaffen, sodass früher Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Förderung erreicht wird. Durch die Festsetzung auf Anforderung des FA wird der obergerichtlichen Rspr. Rechnung getragen. Der BFH hat entschieden, dass die Mitteilung der zentralen Stelle bei Abweichungen in Bezug auf den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 S. 1 EStG weder ein Grundlagenbescheid ist, noch ihr einem Grundlagenbescheid ähnliche Wirkung zukommt. Die neue Festsetzungsmöglichkeit dient insofern der Vermeidung doppelter Prüfungen und divergierenden Entscheidungen innerhalb der Finanzverwaltung und soll überdies die Transparenz des Verwaltungshandelns im Zulageverfahren sowie den Rechtsschutz des Zulageberechtigten erhöhen.
6.3 Einordnung
Rz. 19
§ 90 Abs. 4 EStG ist eine Korrekturvorschrift eigener Art, die Elemente der Durchführung der Besteuerung (Vierter Teil der AO) und des Rechtsbehelfs (Siebenter Teil der AO) in sich vereint.
Schon die Bezeichnung als "Festsetzung" hat vor dem Hintergrund der Systematik des Steuerrechts den Anklang einer die Durchführung der Besteuerung betreffenden Vorschrift. Bei genauerer Betrachtung lässt sich ersehen, dass mithilfe des § 90 Abs. 4 EStG in elektronischer Form ergangene Verwaltungsakte, die selbst festsetzenden Charakter haben (Rz. 5 und Rz. 14a), abgeändert werden können. Auch die Abänderung von Verwaltungsakten ist in systematischer Hinsicht der Durchführung der Besteuerung zuzurechnen.
Demgegenüber enthält § 90 Abs. 4 EStG mit der ihm inne wohnenden vollumfänglichen Gesamtaufrollung ein Wesensmerkmal, das eher dem Rechtsbehelf zuzuordnen ist. Dies grenzt das Verfahren in § 90 Abs. 4 EStG auch von den allgemeinen Korrekturvorschriften der AO ab. Letztere wirken sich regelmäßig nur punktuell aus und führen nicht zu einer vollumfänglichen "Wiederaufrollung" des Vorgangs. Allerdings unterscheidet sich der Antrag nach § 90 Abs. 4 EStG vom Einspruch nach § 347 AO hinsichtlich des Zwecks. Während der Einspruch insbesondere der Selbstkontrolle der Finanzverwaltung dient, ermöglicht der Antrag auf Festsetzung der Zulage in erster Linie die Korrektur bzw. Ergänzung von Angaben dur...