Rz. 53
Zivilrechtlich kann der Nießbrauch zur Sicherung eines anderen Rechtsanspruchs eingeräumt werden und erhält damit eine ähnliche Rechtsqualität wie eine Hypothek oder Grundschuld.
Beispiel 1:
A überträgt sein Gewinnbezugsrecht an Anteilen einer GmbH auf B und läßt sich die Übertragung des Gewinnbezugsrechts durch Bestellung eines Nießbrauchs an dem Geschäftsanteil dinglich sichern.
Da es an der tatsächlichen Durchführung des Nießbrauchs mangelt, kann dieser Sicherungsnießbrauch nicht zur Quellenübertragung im steuerlichen Sinne führen.
Rz. 54
Im 3. Nießbrauchserlaß der Finanzverwaltung vom 24.7.1998 (a.a. O.) sind erstmals Ausführungen zum Sicherungsnießbrauch enthalten. Ein Nießbrauch, der nur zu Sicherungszwecken eingeräumt wird, ist danach — soweit er nicht ausgeübt wird — einkommensteuerrechtlich unbeachtlich. Ein Sicherungsnießbrauch liegt vor, wenn die Vereinbarung bzw. die Bestellung des dinglichen Nutzungsrechts nur dazu dient, die dem Berechtigten versprochenen Leistungen dinglich abzusichern, ohne daß der Berechtigte selbst auf Art und Umfang Einfluß nehmen kann. Die Einkünfte aus dem belasteten Grundstück sind weiterhin dem Eigentümer zuzurechnen. Solche Absprachen sind in der Praxis häufig im Zusammenhang mit vorweggenommenen Erbfolgeregelungen anzutreffen. In einem solchen Fall kann der Vermögensübernehmer die ihm übertragenen Wirtschaftsgüter sofort nutzen — etwa durch Selbstnutzung oder durch Vermietung und Verpachtung —, der Übergeber ist aber meist bis ans Lebensende durch die Eintragung des dinglichen Rechts gesichert und kann seine Ansprüche — etwa im Konkursfall — Dritten gegenüber durchsetzen. Quelleninhaber ist in diesem Fall der Vermögensübernehmer.
Rz. 55
Der BFH hat sich jüngst mit der Frage beschäftigt, ob bei Vereinbarung eines dinglichen Nutzungsrechts ein obligatorisches Nutzungsverhältnis (Miet- oder Pachtvertrag) zwischen dem Vermögensübernehmer und dem -übergeber denkbar und steuerlich anzuerkennen ist.
Beispiel 2:
K erwarb im Frühjahr 1990 von seiner Mutter eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 175.000 DM. Im notariellen Kaufvertrag wurde ein "Grundstücksübertragungsvertrag" zum Gegenstand der notariellen Urkunde gemacht, den die Parteien dem Notar übergeben hatten. Danach sollte für die Mutter des K ein Nießbrauchsrecht an der verkauften Wohnung bestellt werden. Gleichzeitig wurde ein lebenslänglicher Mietvertrag zwischen Mutter und Sohn vereinbart. Das Nutzungsrecht sollte nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Urkunde zur Verstärkung des Mietverhältnisses dienen. Die vom Sohn geltend gemachten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden vom Finanzamt nicht anerkannt, da die Mutter des K die Wohnung aufgrund eigenen Rechts genutzt habe.
Der BFH gab K recht und berief sich darauf, daß die Sicherung eines obligatorischen Mietverhältnisses durch ein dingliches Nutzungsrecht zivilrechtlich möglich sei. Es sei in der Regel nicht unangemessen, ein Grundstück unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Mietvertrages mit dem vormaligen Eigentümer zu übertragen.
Rz. 56
Auch die Finanzverwaltung hat die Rechtsfigur des lediglich Sicherungszwecken dienenden Vorbehaltsnießbrauchs anerkannt und in ihrem Rentenerlaß ausdrücklich erwähnt. In Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung im Rentenerlaß Vermögensteile, deren gesamte Erträge der Übergeber sich mittels eines Nießbrauchs vorbehält, nicht als existenzsichernde Wirtschaftseinheiten angesehen. Die Anerkennung einer Existenzgrundlage und damit von Versorgungsleistungen ist nach Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht ausgeschlossen, wenn der Vorbehalt des Nießbrauchs lediglich Sicherungszwecken dient und der Übergeber gleichzeitig mit der Bestellung des Nießbrauchs dessen Ausübung nach § 1059 BGB dem Übernehmer überläßt.
Beispiel 3:
Mutter M überträgt auf ihre Tochter T ein Mehrfamilienhaus gegen ein im Grundbuch eingetragenes Vorbehaltsnießbrauchsrecht. Der Nießbrauch wird jedoch nicht ausgeübt, vielmehr nimmt T am Marktgeschehen teil und erzielt durch die Vermietung der Wohnungen beträchtliche Einnahmen und auch Überschüsse, die so umfangreich sind, daß daraus monatliche mit M vereinbarte Versorgungsleistungen erbracht werden können.
Es handelt sich hier um einen bloßen Sicherungsnießbrauch und damit um die Übertragung einer existenzsichernden Wirtschaftseinheit nach Typus 1 des Rentenerlasses. Falls besondere Vereinbarungen fehlen, führt dies bei T zum Vollabzug der monatlich gezahlten Beträge als Sonderausgaben in Form einer dauernden Last und bei M zu einer entsprechenden Versteuerung nach § 22 EStG (Korrespondenzprinzip).
Rz. 57
Wird der Totalnießbrauch auch tatsächlich durchgeführt, so steht er der Annahme eines begünstigten Vermögensübergabevertrags gegen Versorgungsleistungen erst einmal entgegen, kann aber später in eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen übergehen, wenn das vorbehaltene Nutzungsrecht gegen wiederkehrende Leistungen abgelöst wird.