6.4.1 Allgemeines
Rz. 285
Bei der Vorbereitung der Übertragung eines Unternehmens bzw. von Unternehmensanteilen auf die nächste Generation durch Erbschaft oder Schenkung steht i. d. R. die ErbSt bzw. SchenkSt, bei der es sich um eine Stichtagssteuer handelt (§ 9 Abs. 1 ErbStG), im Mittelpunkt der Gestaltungsüberlegungen. Ob der Erbfall jedoch an einem aus steuerlicher Sicht besonders günstigen oder ungünstigen Zeitpunkt eintritt, lässt sich nicht beeinflussen. Ein in der Praxis bewährtes Vorgehen für eine steuerlich optimierte Unternehmens- bzw. Anteilsnachfolge ist es daher, das Betriebsvermögen auf einen bestimmten Stichtag zu optimieren. Das wesentliche Ziel ist es hierbei, die aktuell unter dem ErbStG geltenden Begünstigungsregeln für Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b, 13c und § 28a ErbStG (möglichst weitgehend) in Anspruch nehmen zu können.
6.4.2 Überblick über das Verschonungssystem
Rz. 286
Das ErbStG kennt unterschiedlich Optionen der Verschonung von Betriebsvermögen (Rz. 205). Bei einem Erwerb begünstigungsfähigen Vermögens greift im Grundsatz die Basisverschonung (§ 13a ErbStG), d. h. der Erwerb kann weitgehend (Regelverschonung: 85 %) oder vollständig (Optionsverschonung: 100 %) frei von ErbSt bzw. SchenkSt erfolgen, soweit es sich um begünstigtes Vermögen (d. h. kein stpfl. Verwaltungsvermögen) handelt und im Nachgang zur Schenkung bestimmte Behaltens- und Lohnsummenfristen eingehalten werden. Der Erwerb begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. EUR (sog. Großerwerb) wird im ErbStG hingegen über die Anwendung eines abschmelzenden Verschonungsabschlags (Abschmelzmodell, § 13c ErbStG) oder im Rahmen des Erlassmodells, bei dem eine Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) durchzuführen ist, privilegiert.
6.4.2.1 Begünstigungsfähiges Vermögen
Rz. 287
Anwendbar sind die Begünstigungsregeln für Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b, 13c und § 28a ErbStG nur dann, wenn das erworbene Vermögen i. S. v. § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigungsfähig ist. Zum begünstigungsfähigen Vermögen zählen der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Nr. 1), inländisches Betriebsvermögen, d. h. Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile (Nr. 2), und Anteile an Kapitalgesellschaften, an denen der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war (Nr. 3). Begünstigungsfähig ist stets auch entsprechendes Vermögen, das in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) belegen ist.
Rz. 288
Die Gewährung der Steuerbegünstigung bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften setzt eine Mindestbeteiligung von 25 % des Erblassers bzw. Schenkers an dem Kapital der Gesellschaft voraus (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG). Wird diese Mindestbeteiligungshöhe allein durch den Erblasser oder Schenker nicht erreicht, besteht die Möglichkeit, sich mit anderen Gesellschaftern zu "poolen" (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG). Hierzu müssen sich die Poolbeteiligten in einer Gesellschaftervereinbarung verpflichten, über ihre Anteile nur nach einheitlichen Grundsätzen zu verfügen und das Stimmrecht nur einheitlich auszuüben.
6.4.2.2 Erwerb von bis zu 26. Mio. EUR (Regel- und Optionsverschonung)
Rz. 289
Für den Erwerb begünstigten Vermögens von bis zu 26 Mio. EUR (Ermittlung durch Abzug des stpfl. Verwaltungsvermögens vom begünstigungsfähigen Vermögen, § 13b Abs. 2 ErbStG) existieren, wie bereits in Rz. 286 erwähnt, gem. § 13a ErbStG zwei Verschonungskonzepte:
- Regelverschonung, § 13a Abs. 1 ErbStG: Verschonung 85 % / Sofortbesteuerung begünstigten Vermögens 15 %, ggf. Abzugsbetrag 150.000 EUR / Lohnsummen- und Behaltensfrist 5 Jahre / Mindestlohnsumme 250 % bis 400 % (abhängig von der Anzahl der Beschäftigten) / max. 90 % Verwaltungsvermögen.
- Optionsverschonung, § 13a Abs. 10 ErbStG: Verschonung 100 % / Sofortbesteuerung begünstigten Vermögens 0 % / Lohnsummen- und Behaltensfrist 7 Jahre / Mindestlohnsumme 500 % bis 700 % (abhängig von der Anzahl der Beschäftigten) / max. 20 % Verwaltungsvermögen; unwiderruflicher Antrag des Erwerbers erforderlich.
Im Nachgang zum Erwerb sind im Gegenzug bestimmte Behaltens- und Lohnsummenfristen einzuhalten. Bei der Regelverschonung müssen die Behaltensfrist von 5 Jahren (§ 13a Abs. 6 ErbStG) und die Anforderungen an die Lohnsummen über einen Zeitraum von ebenfalls 5 Jahren erfüllen werden (Lohnsummenfrist): In den auf den Erwerb folgenden 5 Jahren müssen die jährlichen Lohnsummen grundsätzlich in Summe die Mindestlohnsumme von 400 % der Ausgangslohnsumme erreichen (§ 13a Abs. 3 S. 1 ErbStG). Im Fall der Optionsverschonung gilt eine auf 7 Jahre verlängerte Behaltens- und Lohnsummenfrist und eine auf 700 % erhöhte Mindestlohnsumme (§ 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 2, 3 und 6 ErbStG).
Rz. 289a
Die Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor dem Steuerentstehungszeitpunkt endenden Wirtschaftsjahre. Der Begriff der Lohnsumme umfasst dabei alle Vergütungen (Löhne, Gehälter und andere Bezüge und Vorteile), die im maßgeblichen Wirtschaftsja...