7.1 Probleme bei Unternehmensübergaben

 

Rz. 302

Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung, Bonn, stehen in Deutschland von 2010 bis 2014 jährlich etwa 22.000 Unternehmen mit rund 287.000 Beschäftigten zur Nachfolge an[1]. Probleme bei Unternehmensübergaben ergeben sich einerseits aus dem oft schlechten Investitionsverhalten in der Phase vor der Übergabe sowie den meist überhöhten Forderungen der Alteigentümer. Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) und der KfW Bankengruppe zeigt, dass Alteigentümer während der Suche nach einem Nachfolger ihre Investitionstätigkeit reduzieren oder gar ganz einstellen. Trotz verminderter Investitionen passen viele Alteigentümer die Beschäftigung nicht an. Zugleich sinkt aufgrund unterlassener Investitionen die Ertragskraft der Unternehmen, was die Suche nach einem Nachfolger wiederum erschwert. Je länger die Übergabephase dauert, desto mehr könnte der Investitionsstau die Existenz des Unternehmens gefährden[2].

 

Rz. 303

Bei Unternehmensnachfolgen stellt sich regelmäßig die Frage der Finanzierung. Einerseits soll der Unternehmer finanziell abgesichert und anderseits die Leistungsfähigkeit des Nachfolgers nicht überstrapaziert werden, um das Unternehmen zu erhalten.

 

Praxis-Beispiele:

U betreibt ein mittelständisches Unternehmen. Er will sich zur Ruhe setzen und das Unternehmen an seinen Sohn S übergeben. Dafür verlangt er eine höhere Einmalzahlung sowie eine lebenslange monatliche Rente. S hat gerade seine Berufsausbildung abgeschlossen.

Während die laufende Rente von dem Unternehmen erwirtschaftet werden kann, dürfte S die Einmalzahlung kaum aufbringen können. Eine Entnahme der benötigten Mittel würde die Liquidität gefährden. Daher ist die externe Finanzierung der Unternehmensnachfolge zu prüfen. Für einen Bankkredit könnte das Unternehmen als Sicherheit dienen. Nachteil einer solchen Lösung ist vor allem die Belastung der Kreditlinie des Unternehmens.

 

Rz. 304

Möglich wäre auch eine Finanzierung des Nachfolgers selbst. Während eine solche Finanzierung über den freien Kapitalmarkt wegen der meist fehlenden Sicherheiten schwierig sein dürfte, könnte leichter auf öffentliche Förderinstrumente, z. B. Existenzgründerprogramme, zurückgegriffen werden[3].

 

Rz. 305

Über das Bundeswirtschaftsministerium ist ebenfalls eine Förderung der Unternehmensnachfolge möglich. Die Initiative "nexxt"[4] soll ein günstiges Klima für den unternehmerischen Generationswechsel schaffen[5].

Insgesamt sollte der Finanzierungsbedarf des Nachfolgers bei der Planung der Unternehmensnachfolge stets im Blick behalten werden, um die gesetzten Ziele nicht zu gefährden. Selbst in Fällen der Drittunternehmensnachfolge, in denen zwischen Unternehmer und Nachfolger keine weitere Verbindung besteht, wirken sich ein hoher Finanzierungsbedarf oder Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung nachteilig auf den erzielbaren Verkaufserlös aus.

 

Rz. 306

Noch schwieriger wird es, wenn der Unternehmer vor der Unternehmensnachfolge notwendige Investitionen unterlässt. Umso mehr wirken sich diese Schwierigkeiten aus, wenn der Nachfolger etwa aus der eigenen Familie kommt und der Unternehmer großen Wert auf die Beibehaltung der Unternehmenstradition legt.

[1] www.ifm-bonn.org/index.php?id=855; Stand 28.03.2011.
[2] www.ifm-bonn.org/index.php?id=887; Stand 28.03.2011.
[3] Zu Förderprogrammen für Unternehmensnachfolgen über die KfW-Bankengruppe: www.kfw.de.
[5] www.bmwi.de/BMWi/­Navigation/Service/publikationen,did=23490.html; Stand 28.03.2011.

7.2 Eigen- oder Fremdfinanzierung

7.2.1 Erbschaftsteuerliche Sicht

7.2.1.1 Ausgangspunkt

 

Rz. 307

Die Frage, welche Finanzierungsform sich bei der Unternehmensnachfolge erbschaftsteuerrechtlich günstiger auswirkt, muss differenziert nach Personen- und Kapitalgesellschaften betrachtet werden. Hierbei wird folgender Fall exemplarisch zugrunde gelegt[1]: Der Unternehmenswert beträgt unabhängig von der Rechtsform 100 (kein Substanzwert). Der Nennwert des Gesellschafterdarlehens beträgt 60 % des Bruttounternehmenswerts. Das Unternehmen soll auf den Neffen übertragen werden. Der Alleineigentümer des Unternehmens ist alleinstehend und kinderlos. Verwaltungsvermögen existiert nicht. Weitere persönliche Freibeträge werden nicht betrachtet.

[1] Corsten/Dreßler, DStR 2009, 2115, 2116.

7.2.1.2 Volle Eigenkapitalfinanzierung

 

Rz. 308

Erbschaftsteuerrechtlich ergibt sich bei voller Eigenfinanzierung sowohl einer Personengesellschaft als auch einer Kapitalgesellschaft folgendes Bild[1]:

 
+ Gemeiner Wert des Unternehmens 100
Verschonungsabschlag (85 %) – 85
= Steuerpflichtiger Erwerb nach Begünstigung = 15
× Steuersatz nach § 19 ErbStG 30 %
= ErbSt in Prozent des Bruttounternehmenswertes = 4,5

Die 100 %ige Eigenkapitalfinanzierung ergibt keine rechtsformabhängigen Unterschiede bei der ErbSt.

[1] Corsten/Dreßler, DStR 2009, 2115, 2116.

7.2.1.3 Volle Fremdfinanzierung

 

Rz. 309

Erbschaftsteuerlich ergibt sich bei 100 %iger Fremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft folgendes Bild[1]:

 
+ Gemeiner Wert des Unternehmens vor Darlehen 100
Gemeiner Wert der Schuld gegenüber dem Gesellschafter – 60
= Gemeiner Wert des Unternehmens nach Darlehen = 40
Verschonungsabschlag (85 %) – 34

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