Dr. Felice-Alfredo Avella
7.2.1 Erbschaftsteuerliche Sicht
7.2.1.1 Ausgangspunkt
Rz. 307
Die Frage, welche Finanzierungsform sich bei der Unternehmensnachfolge erbschaftsteuerrechtlich günstiger auswirkt, muss differenziert nach Personen- und Kapitalgesellschaften betrachtet werden. Hierbei wird folgender Fall exemplarisch zugrunde gelegt: Der Unternehmenswert beträgt unabhängig von der Rechtsform 100 (kein Substanzwert). Der Nennwert des Gesellschafterdarlehens beträgt 60 % des Bruttounternehmenswerts. Das Unternehmen soll auf den Neffen übertragen werden. Der Alleineigentümer des Unternehmens ist alleinstehend und kinderlos. Verwaltungsvermögen existiert nicht. Weitere persönliche Freibeträge werden nicht betrachtet.
7.2.1.2 Volle Eigenkapitalfinanzierung
Rz. 308
Erbschaftsteuerrechtlich ergibt sich bei voller Eigenfinanzierung sowohl einer Personengesellschaft als auch einer Kapitalgesellschaft folgendes Bild:
+ |
Gemeiner Wert des Unternehmens |
100 |
– |
Verschonungsabschlag (85 %) |
– 85 |
= |
Steuerpflichtiger Erwerb nach Begünstigung |
= 15 |
× |
Steuersatz nach § 19 ErbStG |
30 % |
= |
ErbSt in Prozent des Bruttounternehmenswertes |
= 4,5 |
Die 100 %ige Eigenkapitalfinanzierung ergibt keine rechtsformabhängigen Unterschiede bei der ErbSt.
7.2.1.3 Volle Fremdfinanzierung
Rz. 309
Erbschaftsteuerlich ergibt sich bei 100 %iger Fremdfinanzierung einer Kapitalgesellschaft folgendes Bild:
+ |
Gemeiner Wert des Unternehmens vor Darlehen |
100 |
– |
Gemeiner Wert der Schuld gegenüber dem Gesellschafter |
– 60 |
= |
Gemeiner Wert des Unternehmens nach Darlehen |
= 40 |
– |
Verschonungsabschlag (85 %) |
– 34 |
= |
Steuerpflichtiger Erwerb nach Begünstigung |
= 6 |
x |
Steuersatz nach § 19 ErbStG |
30 % |
= |
ErbSt in Prozent des Bruttounternehmenswerts |
= 1,8 |
+ |
Darlehen |
60 |
x |
Anzuwendender Steuersatz |
50 % |
= |
ErbSt auf das Darlehen |
30 |
= |
Gesamtbelastung mit ErbSt |
= (30 + 1,8 =) 31,8 |
Rz. 310
Erbschaftsteuerrechtlich ergibt sich bei 100 %iger Fremdfinanzierung einer Personengesellschaft folgendes Bild:
+ |
Gemeiner Wert des Unternehmens vor Darlehen |
100 |
– |
Gemeiner Wert der Schuld gegenüber dem Gesellschafter |
– 60 |
+ |
Sonderbetriebsvermögen I |
+ 60 |
= |
Zwischensumme |
= 100 |
– |
Verschonungsabschlag (85 %) |
– 85 |
= |
Steuerpflichtiger Erwerb nach Begünstigung |
= 15 |
X |
Steuersatz nach § 19 ErbStG |
30 % |
= |
ErbSt in Prozent des Bruttounternehmenswerts |
= 4,5 |
7.2.1.4 Zwischenergebnis
Rz. 311
Bei der Erbfolge ist unter den getroffenen Annahmen der Fall einer zu 100 % mit Gesellschafterdarlehen finanzierten Kapitalgesellschaft nachteilig. Durch eine Mischung von Eigen- und Fremdfinanzierung können sich die Gewichte verschieben. Mit einer ausschließlich mit Eigenkapital ausgestatteten Gesellschaft ist der Erbe erbschaftsteuerlich besser gestellt als bei Fremdfinanzierung.
7.2.2 Ertragsteuerrechtliche Sicht
Rz. 312
Bei den Ertragsteuern sind Besonderheiten hinsichtlich der rechtsformabhängigen Besteuerung zu beachten. Die folgenden Ergebnisse wurden einer Untersuchung von Corsten/Dreßler entnommen.
Rz. 313
Bei Kapitalgesellschaften sind auf der Ebene der Kapitalgesellschaft sowohl Dividenden als auch Veräußerungsgewinne zu 95 % freigestellt. Gehören die Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Privatvermögen des Gesellschafters, greift grundsätzlich die Abgeltungsteuer für Dividenden und für Veräußerungsgewinne bei einer Beteiligung von bis zu 1 %. Gehören die Anteile dagegen zum Betriebsvermögen, ist grundsätzlich das Teileinkünfteverfahren anzuwenden. Dessen Anwendung kann in bestimmten Fällen auch alternativ zur Abgeltungsteuer beantragt werden.
Rz. 314
In Bezug auf Zinsaufwendungen aus kreditfinanzierten Anteilskäufen gelten folgende Unterschiede: Während die Kapitalgesellschaft solche Aufwendungen stets zu 100 % abziehen kann, greift bei der natürlichen Person bei Zuordnung der Anteile zum Betriebsvermögen nach § 3c EStG das Teilabzugsverbot, wonach nur 60 % der Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar sind.
Rz. 315
Nach Corsten/Dreßler ergibt sich im Ergebnis für den o. g. Grundsachverhalt folgende Konstellation:
Ertragsteuern in Prozent des gemeinen Werts des Unternehmens vor Darlehensverbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft (Anteile im Privatvermögen) |
Eigenkapital |
3,0875 |
Fremdkapital |
3,1063 |
Ertragsteuern in Prozent des gemeinen Werts des Unternehmens vor Darlehensverbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft (Anteile im Betriebsvermögen) |
Eigenkapital |
3,1785 |
Fremdkapital |
3,1088 |
Als günstigste ertragsteuerliche Konstellation bei der Kapitalgesellschaft ergibt sich der Fall der Eigenkapitalfinanzierung, wenn die Beteiligung im Privatvermögen ist und die Abgeltungsteuer greift.
Rz. 316
Im Fall der Personengesellschaft sind Besonderheiten hinsichtlich der ESt und GewSt bzw. der Anrechnung der GewSt auf die ESt zu beachten. Danach ergibt sich folgende Konstellation:
Ertragsteuern in Prozent des gemeinen Werts des Unternehmens vor Darlehensverbindlichkeit bei der Personengesellschaft |
Eigenkapital |
3,0355 |
Fremdkapital |
3,0610 |
Damit ist ebenso ertragsteuerlich die Eigenkapitalfinanzierung günstiger.