4.1 Status bis zum AVmG v. 26.6.2001
4.1.1 Überblick
Rz. 36
Bis zum Inkrafttreten des BetrAVG v. 19.12.1974 wurde der Gehalt der betrieblichen Altersvorsorge im Spannungsfeld von Sozialpolitik und wirtschaftlich Erreichbarem durch Einzelvertrag innerhalb der Arbeitsverhältnisse, freiwillig errichtete Pensionsordnungen oder Tarifvereinbarungen der Sozialpartner geregelt. Dabei hatten auch die steuerlichen Vorschriften einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl und Ausgestaltung der Versorgungswerke im Einzelnen.
Rz. 37
Mit dem BetrAVG hat der Gesetzgeber Mindestanforderungen für die betriebliche Altersversorgung kodifiziert, um berechtigte sozialpolitische Forderungen durchzusetzen.
4.1.2 Unverfallbarkeit (§§ 1b bis 4 BetrAVG)
Rz. 38
Eine einmal erteilte Versorgungszusage bleibt auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalls bestehen, wenn sie unverfallbar geworden ist. Die Unverfallbarkeit nicht arbeitnehmerfinanzierter Zusagen hängt von dem Lebensalter und der Laufzeit der Zusage ab. Diese Faktoren wurden seit Kodifizierung des BetrAVG mehrfach zugunsten der Arbeitnehmer verändert. Seit 2009 sind ein Mindestalter von 25 Jahren und eine Laufzeit von 5 Jahren erforderlich. Zuvor betrug die Altersgrenze 35 Jahre (bis 2001) bzw. 30 Jahre (bis 2008). Die erforderliche Laufzeit betrug 10 Jahre bis 2001 (alternativ 3 Jahre bei mindestens 12-jähriger Betriebszugehörigkeit), seit 2002 beträgt sie 5 Jahre.
Rz. 39
Soweit Zusagen auf Entgeltumwandlungen beruhen (arbeitnehmerfinanzierte Zusagen), tritt die Unverfallbarkeit sofort ein.
Rz. 40
Endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig, aber nach Eintritt der Unverfallbarkeit, so wird die Höhe des Versorgungsanspruchs im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der Gesamtbetriebszugehörigkeit, wie sie sich ohne vorherige Auflösung des Arbeitsverhältnisses ergeben hätte, gekappt.
4.1.3 Auszehrungsverbot (§ 5 BetrAVG)
Rz. 41
Im Rahmen einer Gesamtversorgungszusage können andere Versorgungsleistungen grundsätzlich auf die betriebliche Altersversorgung angerechnet werden (Rz. 34). Zu dieser Anrechnungsmöglichkeit enthält das sog. Auszehrungsverbot zwei Ausnahmen. Ist der Versorgungsfall eingetreten und die Höhe der Betriebsrente dadurch festgelegt, so dürfen zum einen spätere Erhöhungen anderer Versorgungsbezüge nicht angerechnet werden. Dadurch wird verhindert, dass die Anpassung anderer Versorgungsbezüge an die wirtschaftliche Entwicklung bei Gesamtversorgungszusagen für den Arbeitnehmer durch Anrechnung auf seine betriebliche Altersversorgung wirkungslos wird. Zum anderen ist die Anrechenbarkeit von Versorgungsleistungen aus der reinen Eigenversorgung beschränkt.
4.1.4 Flexible Altersgrenze (§ 6 BetrAVG)
Rz. 42
Durch § 6 BetrAVG wird die Möglichkeit, ein vorgezogenes Altersruhegeld nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen, auf die betriebliche Altersvorsorge ausgedehnt. Voraussetzung ist, dass es sich um eine Vollrente handelt. Fällt diese wieder weg oder wird sie in eine Teilrente umgewandelt, kann die betriebliche Altersversorgung wieder eingestellt werden.
4.1.5 Insolvenzsicherung (§§ 7 bis 15 BetrAVG)
Rz. 43
Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung werden durch die Insolvenzsicherung gegen die Folgen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in einem begrenzten Umfang gesichert. Die Mittel werden durch Pflichtbeiträge der Arbeitgeber, die betriebliche Altersversorgungen zugesagt haben, im Rahmen eines Pensionssicherungsvereins VVaG aufgebracht.
4.1.6 Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG)
Rz. 44
Nach Eintritt des Versorgungsfalls ist der Arbeitgeber, wenn laufende Leistungen gewährt werden, jeweils nach drei Jahren verpflichtet, eine Anpassung der Leistungen zu prüfen und über sie unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies bedeutet, dass sich nach Eintritt des Versorgungsfalls die Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers insbesondere durch Inflationstendenzen erhöhen kann, ohne dass hierfür rechtzeitig Vorsorge getroffen werden kann. Da dies die Ausbreitung der betrieblichen Altersversorgung stark behindert hat, brachte das AVmG in diesem Bereich wesentliche Änderungen (Rz. 34).
4.2 Neuerungen durch das AVmG v. 26.6.2001
4.2.1 Übersicht
Rz. 45
Das AVmG v. 26.6.2001 ist ein (zweiter) Teil der sog. Riesterschen Rentenreform. Ein erster Teilbereich war bereits im AVmEG v. 21.3.2001 enthalten. Das AVmEG bezweckt in erster Linie, das Niveau der Sozialversicherungsrenten aus den bereits genannten Gründen (Rz. 12) ab dem Jahr 2011 zu senken. Als Ausgleich hierzu verfolgt das AVmG das Ziel, eine kapitalgedeckte private Altersvorsorge zu initiieren und die Zusatzversorgung durch Betriebsrenten zu fördern und insbesondere ertragreicher zu gestalten. Damit verbunden ist der Einstieg in die sog. nachgelagerte Versteuerung der Altersrenten (Rz. 18).
Rz. 46
Der Aufbau einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge wird durch eine kombinierte Zulagen-/Sonderausgabenabzugs-Regelung gefördert. Dabei werden freiwillige eigene Altersvorsorgebeiträge der Begünstigten, die von in der gesetzlichen Rentenversich...