Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
2.3.1 Allgemeines
Rz. 19
Ausnahmsweise kann sog. wirtschaftliches Eigentum i. S. d. § 39 AO vorliegen. Ist dies feststellbar, hat es Vorrang vor der Zurechnung nach bürgerlich-rechtlichen Eigentumsgrundsätzen. Wirtschaftliches Eigentum kann sowohl durch dingliche als auch durch schuldrechtliche Nutzungsverhältnisse begründet werden. Das ist der Fall, wenn der Berechtigte auf einem fremden Grundstück mit Zustimmung des Eigentümers für eigene Rechnung eine Wohnung errichtet und aufgrund eindeutiger, im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft innehat. Dazu ist Voraussetzung, dass die Wohnung nach der voraussichtlichen Dauer der Nutzungsverhältnisse bei normaler, durch die Vereinbarung vorausgesetzter Nutzung wirtschaftlich verbraucht ist.
Wirtschaftliches Eigentum kann unter bestimmten Voraussetzungen vorliegen bei
- einem Dauerwohnrecht,
- einem Mietkauf,
- einer Herstellung auf fremdem Grund und Boden.
2.3.2 Dauerwohnrecht
Rz. 20
Der Dauerwohnberechtigte ist wirtschaftlicher Eigentümer, wenn seine Rechte und Pflichten bei wirtschaftlicher Betrachtung denen eines Eigentümers entsprechen und ihm bei Aufgabe des Wohnrechts aufgrund des Vertrags oder kraft Gesetzes eine angemessene Entschädigung zusteht. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine dem Wohnungseigentum ähnliche Gestaltung kommt hiernach in Betracht, wenn es zeitlich unbeschränkt oder auf besonders lange Zeit bestellt wird und der Dauerwohnberechtigte sowohl die Finanzierung von Grundstückserwerb und Gebäudeerrichtung als auch die Verzinsung und Tilgung des Fremdkapitals sowie die laufenden Bewirtschaftungskosten übernimmt. I. d. R. wird das wirtschaftliche Eigentum des Dauerwohnberechtigten anerkannt, wenn der Vertrag über das Wohnrecht inhaltlich dem "Muster eines Vertrages über die Bestellung eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts nach §§ 31ff. WEG" entspricht.
2.3.3 Mietkauf
Rz. 21
Der Mietkäufer ist von Anfang an wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt des (formwirksam abgeschlossenen) Vertrags auch verpflichtet ist, nach einer fest bestimmten Mietzeit das Objekt zu einem bereits festgelegten Kaufpreis unter Anrechnung der bisher gezahlten Mieten zu erwerben. Während der Mietphase wird der Anspruch des Mietkäufers auf Abschluss des Kaufvertrags gesichert, z. B. durch Einräumung eines Vorkaufsrechts. Bei wirtschaftlicher Betrachtung steht bei dieser Vertragsgestaltung der Erwerb des Eigentums von Anfang an im Vordergrund.
2.3.4 Herstellung auf fremdem Grund und Boden
Rz. 22
Die Herstellung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden führt dann zur Annahme wirtschaftlichen Eigentums an dem Gebäude, wenn der zivilrechtliche Eigentümer bei vertragsgemäßem Verhalten des Nutzenden für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes von wirtschaftlichen Einwirkungen hierauf ausgeschlossen ist. Das ist der Fall, wenn ein Herausgabeanspruch vertraglich ausgeschlossen ist oder wenn dieser zwar besteht, im Fall der Herausgabe jedoch Ersatz in voller Höhe des Verkehrswerts zu leisten ist. Der Ersatzanspruch kann auf vertraglicher Basis oder kraft Gesetzes bestehen. Ein gesetzlicher Anspruch kann nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen bestehen, wenn beide Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch gemeinschaftliche Leistungen zum Bau eines auf den Namen eines Partners eingetragenen, aber als gemeinsam betrachteten Anwesens beitragen. Bei Ehegatten gilt nicht derjenige als alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer, der alle Aufwendungen getragen hat; es besteht die Vermutung, dass der andere Ehegatte durch Haushaltsführung usw. in gleicher Weise zu den Aufwendungen beigetragen hat.
Wird ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden ohne Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen errichtet, erwirbt der Hersteller aber nachträglich, jedoch noch vor Ablauf des Förderzeitraums das bürgerlich-rechtliche Eigentum an dem Grundstück, kann er von diesem Zeitpunkt an (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) die Förderung für den Rest des Förderzeitraums, der bereits mit der Fertigstellung begonnen hat, in Anspruch nehmen.