5.1 Identität und Sozialisierung im virtuellen Kontext
Um das Identitäts- und Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gruppe in der digitalen Welt zu entwickeln, sind folgende Aspekte wichtig:
- Zugang zu teaminternen Informationen
- gemeinsame Rituale und Spielregeln
- der gemeinsame Name, die Team-Bezeichnung
- gemeinsame Symbole, wie z.B. das gemeinsame Logo
- das Innehaben einer anerkannten Rolle bzw. Erleben von Wertschätzung für den eigenen Beitrag
- das explizit ausgesprochene "Wir" für das Gesamtteam
- Freude an der Zugehörigkeit, Spaß am gemeinsamen Ergebnis
- gemeinsames Treffen von Entscheidungen und Vereinbarungen
- gelebtes Vertrauen untereinander, so dass auch unfertige Zwischenergebnisse und offene Fragen, Irritationen oder die Bitte um Hilfe kommuniziert werden können und Unterstützung erfolgt
Die Sozialisierung neu hinzukommender Personen geschieht durch einen kontrollierten Zugang zu Gruppeninformationen und Gruppeninternen Verfahrensweisen.
5.2 Vertrauen und Vertrauensvorschuss
Je größer die räumliche Distanz ist und je weniger persönliche Treffen möglich sind, desto mehr sind die beteiligten Personen darauf angewiesen, dass das, was gesagt und geschrieben wird auch glaubwürdig ist. Sie müssen darauf vertrauen können, dass sie nicht durch Vorsatz eine andere Wirklichkeit vorgespiegelt bekommen, als sie die Personen am anderen Standort wahrnimmt.
Bewährt hat sich hier ein positives Spannungsfeld aus
- Einerseits Vertrauensvorschuss mit der Annahme, dass getroffene Vereinbarungen verbindlich und gemachte Angaben verlässlich sind.
- Andererseits große Aufmerksamkeit für Anzeichen des Abweichens vom Erwarteten, um dies zeitnah und mit Interesse an konstruktiven Lösungen proaktiv anzusprechen.
Trust Buster und Trust builder
Die Umkehr der Perspektive erleichtert manchmal die tiefere Einsicht. Wenn also das Vertrauen anderer erschüttert werden soll, was wäre zu tun?
Dies wären "einschlägige Tipps":
- Vertrauliche Informationen weitererzählen, (vertrauliche) E-Mails zu Menschen außerhalb des Teams senden,
- Informationen zurückhalten, so dass die Chance auf Erfolg der einzelnen Person oder des Teams kleiner wird,
- vage Anweisungen geben und hinterher kräftig kritisieren,
- offizielle Kanäle für Rückmeldung nutzen, auch unter Einbeziehung der nächsten Hierarchie-Ebene ("Mail an Chef, an alle"), anstelle einer informellen direkten Klärung ("unter vier Augen"),
- "hidden agendas" zum eigenen Vorteil verfolgen: nach außen eine andere Meinung vertreten als sich nach innen im Vorgehen abbildet,
- Angst-Taktiken benutzen, öffentliche Kritik und Bloßstellung.
Trust builder sind entsprechend alle vertrauensstiftenden Verhaltensweisen wie: Glaubwürdig und vertrauensvoll handeln, Sorgen und Gefühle ernstnehmen und achten, in unsicheren Situationen helfen und alle mit Wertschätzung behandeln, auch bei Meinungsverschiedenheiten.
5.3 Konfliktprophylaxe und -klärung
Je weniger Kontakt, physisch oder digital, zwischen den Beteiligten hergestellt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer Irritation oder einem Missverständnis ein handfester Konflikt erwächst. In der virtuellen Welt verlaufen solche Entwicklungen lange unbemerkt vom Umfeld und drohen zu eskalieren, allerdings durch die mögliche Vermeidung des Zusammentreffens der Konfliktpartner eher in Form von verminderter Zusammenarbeit bis hin zu deren faktischem Abbruch.
Um nicht unnötig Zeit und Energie für die Klärung zeitverzögert sichtbar gewordener Konflikte und das Beheben der Auswirkungen zu verlieren, sollte die Konfliktprophylaxe einen hohen Stellenwert haben.
Die Führungskraft sollte:
- im Team vorhandene Konfliktkompetenz einschätzen, die eigene und die des Teams. Ggf. Entwicklung dieser Kompetenz veranlassen,
- Vorbild sein für zeitnahe und wertschätzende Konfliktklärung im Alltag: auch kleinere Konflikte angehen, die Fähigkeit zu Selbstkritik zeigen,
- regelmäßige Team-Tage organisieren zur Reflexion der Zusammenarbeit, ggf. mit externer Moderation,
- tragfähige Feedback-Kultur entwickeln, so dass alle sich darauf verlassen können, dass bei Bedarf ein relevantes Thema auch angesprochen wird,
- im Kick-off-Meeting klären, wie die Beteiligten mit Konflikten umgehen wollen, als wichtiger Aspekt der Teamentwicklung.
Tipps zur Konfliktklärung remote
- die weitere Eskalation aufhalten: bei akuten Konfliktanzeichen aktiv werden ("Was ist los?" Hintergrund / Ursachen / Sichtweisen erfragen),
mit Interesse der Thematik nachgehen, lösungsorientiert und ohne
Beschuldigungen oder das Ergreifen einer Partei
- geschützten Gesprächsrahmen finden, möglichst im persönlichen Gespräch vor Ort
- die Beteiligten auffordern miteinander zu reden und den Konflikt zu klären, ggf. im Beisein der Führungskraft oder eines Moderators
- behalten Sie nach der Klärung den Prozess der Zusammenarbeit im Blick, fragen Sie nach, wie es weiterging
- eine Teamklärung veranlassen, wenn tatsächlich alle Personen im Team betroffen sind, ggf. mit externer Klärungshilfe
5.4 Teamentwicklung
Braucht die Führungskraft "wahre" Teamarbeit zur Leistungserbringung, also den direkten persönlichen und fachlichen Austausch der Beteiligten, und die Beteiligten sind noch nicht als Team etablier...