Leitsatz
Ein Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht möglich.
Normenkette
§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 2, Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Sachverhalt
Die Klägerin vermietete ein 1994 errichtetes Gebäude zum Betrieb eines Autohauses an ihren Ehemann und wählte die degressive AfA (8 × 5 %, 6 × 2,5 %, 36 × 1,25 %). Nach Ablauf der ersten 14 Jahre im Jahr 2009 errichtete sie einen Anbau und behauptete im Übrigen, die Gebäude hätten eine Restnutzungsdauer von nur noch 10 Jahren. Sie begehrte die lineare Abschreibung der noch nicht abgeschriebenen HK über diese Zeit. Das FA widersprach der Behauptung aus tatsächlichen Gründen. Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.2015, 5 K 1909/12, Haufe-Index 10083797, EFG 2017, 25) verneinte die rechtliche Möglichkeit, zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer zu wechseln.
Entscheidung
Auf die Revision der Kläger hat der BFH die Rechtsauffassung des FG bestätigt. Auf die Tatfrage, ob die Restnutzungsdauer der Gebäude nur noch 10 Jahre betrug, kam es nicht an.
Hinweis
Wenn bei der degressiven AfA die fetten Anfangsjahre vorbei sind, beginnt das große Grübeln. Einen Wechsel zur linearen AfA hat der BFH seit langem ausgeschlossen. Aber geht nicht vielleicht ein Wechsel zur AfA nach der (kürzeren) tatsächlichen Nutzungsdauer?
1. Die Gesetzeslage ist vordergründig klar. Ein Wechsel zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer ist nur vorgesehen, wenn vorher lineare AfA geltend gemacht worden sind. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist lex specialis zu § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG und auch ausdrücklich nur "in den Fällen des Satzes 1 …" anwendbar, also gerade nicht in den Fällen von Absatz 5.
2. Andererseits schließt Abs. 5 einen nachträglichen Wechsel zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer nicht ausdrücklich aus. Das Fehlen einer § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechenden Vorschrift in Abs. 5 könnte ein gesetzgeberisches Versehen sein – eine ungewollte Gesetzeslücke? § 7 Abs. 4 Satz 2 wäre dann über seinen Wortlaut hinaus analog anzuwenden.
3. Und muss nicht eine Rückkehr zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer stets möglich sein, weil es dem Grundprinzip der AfA entspricht, die AK/HK über die gesamte Nutzungsdauer, aber nicht darüber hinaus zu verteilen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG)? So hatte die Klägerin argumentiert.
4. Der BFH ist dem nicht gefolgt. § 7 Abs. 5 EStG dient u.a. der Vereinfachung. Denn die Nutzungsdauer des Gebäudes muss nicht ermittelt werden. Die AfA läuft über einen typisierten Zeitraum von 50 Jahren nach einer von vornherein feststehenden Staffel. Ein Wechsel zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer nach wenigen Jahren würde diesen Vereinfachungszweck konterkarieren.
5. Eine Gesetzeslücke liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat eine Rückkehr zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer bewusst nur in Abs. 4 Satz 2 und nur für die Fälle des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG vorgesehen. Die Materialien enthalten hierzu zwar keine Begründung; sie ergibt sich aber aus dem zeitgenössischen Schrifttum. Abs. 5 galt nur für neue Gebäude, bei denen die Annahme einer 50-jährigen Nutzungsdauer in der Regel begünstigend wirkt. War aufgrund der Bauart oder einer besonders intensiven Nutzung von vornherein absehbar, dass die Nutzungsdauer kürzer sein würde, konnte dies bei der Wahl der AfA berücksichtigt werden. Fälle, in denen sich eine verkürzte Nutzungsdauer erst nachträglich herausstellt, durfte der Gesetzgeber vernachlässigen. Immerhin: die Finanzverwaltung gewährt dann u.U. eine AfaA (R 7.4 Abs. 11 Satz 2 EStR).
6. Auch das systematische Argument verfängt nicht: Bei der Gebäude-AfA (§ 7 Abs. 4 und Abs. 5 EStG) ist die Abschreibung nach einer typisierten Nutzungsdauer der Grundfall und nicht die Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer. Mit § 7 Abs. 1 EStG lässt sich da nicht argumentieren.
7. Was der BFH nicht betont hat: § 7 Abs. 5 ist auch eine Subvention. Die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme stehen von vornherein fest und sind nicht verhandelbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.5.2018 – IX R 33/16