Leitsatz
1. § 63 Abs. 1 FGO bestimmt ohne Ansehen des rechtlichen Inhalts des streitigen Rechtsverhältnisses, wer zu verklagen ist, d.h. die Prozessführungsbefugnis. Davon zu unterscheiden ist die Sach- oder Passivlegitimation, die die Frage beantwortet, ob der Beklagte nach dem materiellen Recht auch der Anspruchsverpflichtete ist.
2. Bei der Übermittlung von Beitreibungsersuchen an eine Behörde in einem EG-Mitgliedstaat hat das Bundeszentralamt für Steuern die Funktion einer "Kontakt- oder Verbindungsstelle" für die Abwicklung des Ersuchens mit dem Ausland. Herr des Verfahrens im Inland ist das für die Vollstreckung zuständige FA.
3. Das Ersuchen ist kein Verwaltungsakt, aber auch kein rein behördeninterner Vorgang. Rechtsschutz auf Rücknahme des Ersuchens kann mit der Leistungsklage gesucht werden.
Normenkette
§ 117 Abs. 1, § 240 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 17 Abs. 2 S. 1 FVG, § 63 Abs. 1, § 40 Abs. 1, § 118 Abs. 1 FGO, Art. 2, 14 RL 76/308/EWG, § 1 EG-BeitrG
Sachverhalt
Ein FA richtete über das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen gem. Art. 6 bis 13 der Richtlinie 76/308/EWG an die Steuerbehörde in Zypern wegen USt. Das in griechischer Sprache verfasste Beitreibungsersuchen wurde dem steuerlichen Vertreter des Klägers in Zypern zugestellt.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 29.10.2008, 9 K 2323/07, Haufe-Index 2093310, EFG 2009, 280).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision zurückgewiesen. Das FA sei der richtige Beklagte (nicht das BZSt). Die Klage sei auch zulässig, weil es sich bei einem ins Ausland übermittelten Ersuchen nicht um einen behördeninternen Vorgang, wenn auch nicht um einen Verwaltungsakt handle. Der Betroffene habe aber ein rechtsschutzwürdiges Interesse daran, es "zu stoppen".
Die Klage sei indes aus den in den Praxis-Hinweisen genannnten Gründen unbegründet.
Hinweis
Die Finanzbehörden können zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Dazu besteht ein sog. Merkblatt des BMF. Der BFH sieht die auf der Grundlage dieses Merkblatts ergehenden Entscheidungen als revisibel an; denn es handle sich um Verwaltungsvorschriften, welche eine Rechtspflicht durch allgemein geltende Regeln konkretisieren.
Der Anspruch auf Rücknahme eines Beitreibungsersuchens sei gegenüber dem FA zu verfolgen, das Bundeszentralamt für Steuern trete als ersuchende Behörde i.S.d. Art. 3 RL 76/308/EWG nur im Verhältnis zu dem ersuchten Mitgliedstaat auf. Es "übermittle", wie in Tz. 1.4.1 des Merkblatts formuliert, zwar die Ersuchen an die zuständige ausländische Behörde und achte auf die Einhaltung der durch die EG-Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen. Für die Rücknahme eines Ersuchens sei aber für alle sonstigen Aufgaben der Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung von Steuerforderungen das Veranlagungs-FA zuständig.
Auch die Beitreibung von Säumniszuschlägen ist zulässig, obwohl diese in Art. 2 RL 76/308/EWG nicht namentlich genannt sind.
Nach Tz. 2.2.1.1 Buchst. d des Merkblatts darf der Zeitraum zwischen der Ausstellung des Vollstreckungstitels (Festsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis) oder der Unanfechtbarkeit der Forderung bzw. des Vollstreckungstitels und dem Datum des Ersuchens nicht mehr als fünf Jahre betragen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.07.2009 – VII R 52/08