Die Bewertung von Immobilien ist ausführlich im BewG geregelt, §§ 176 ff. BewG (s. dazu Laws, EE 2023, 29–36; ErbStR RB 176.1 ff.). Ist der Wert niedriger als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so kann der Steuerpflichtige den niedrigeren Wert durch ein Gutachten nachweisen, § 198 Abs. 2 BewG (hierzu auch LfSt Bayern v. 12.3.2014 – S 3229.1.1 - 1/2 St 34). Außerdem bietet § 198 Abs. 3 BewG die Möglichkeit, dass "[...] als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertendes Grundstück dienen kann, wenn die maßgebenden Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind." (vgl. dazu ErbStR R B 176.1 ff.).
Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Zinswende, die Energiewende mit Blick auf die Wärme, Kälte- und Warmwasserversorgung und auch die angestrebte Klimaneutralität der Gebäude zu einer Preisreduktion bei den Bestandsimmobilien geführt haben.
Beispiel
MFH mit TG, Baujahr 1967; Bescheid auf den 1.1.2022 über die Feststellung des Grundsteuerwerts 4,01 Mio. EUR; Sterbetag/Stichtag: im April 2023 Grundbesitzbewertung nach §§ 184 ff. BewG 7,2 Mio. EUR, Gutachten durch öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen 6 Mio. EUR, erzielter Verkaufspreis innerhalb der Jahresfrist 4,85 Mio. EUR (zur Immobilienpreisentwicklung s. z.B. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_245_61262.html).
Das und andere Beispiele aus der Praxis haben gezeigt, dass die Bewertungen z.B. im Ertragswertverfahren bei Mehrfamilienhäusern zu Wertansätzen führen, die am Markt derzeit für Bestandsimmobilien nicht erzielbar sind. Auch die Gutachtenwerte liegen teilweise über den Marktgeboten für die Bestandsimmobilien. Der Grund liegt nicht nur auf der Immobilienfinanzierungsseite mit den gestiegenen Zinssätzen für Kredite und den geforderten Eigenkapitalquoten, sondern auch in dem Bereich der Umbaukosten für die Energiewende und die Klimaneutralität der Gebäude. Denn diese noch anfallenden Kosten sind beträchtlich und werden oftmals nicht hinreichend bei den üblichen Bewertungsmethoden – auch unter Beachtung von staatlichen Förderungsmaßnahmen – berücksichtigt.
Beraterhinweis Kommt es zu einem Verkauf innerhalb der Jahresfrist nach § 198 Abs. 3 BewG, so kann der Kaufpreis (Veräußerungspreis) als niedrigerer Wert angesetzt werden.
Die ErbStR führen dazu in R B 198 Abs. 4 aus:
"Ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück kann als Nachweis dienen. Ist ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und sind die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben, so kann auch dieser als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen. Es bestehen keine Bedenken, diesen Wert regelmäßig ohne Wertkorrekturen als Grundbesitzwert festzustellen."
Erfolgt z.B. der Verkauf aufgrund der derzeit niedrigen Nachfrage z.B. erst in zwei Jahren nach dem Stichtag, so kommt es evtl. zu einem zu hohen Ansatz bei der Ermittlung der Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer mit Blick auf den Marktwert, wenn die Zeitraumausdehnung in den ErbStR nicht greift.
Ein Blick auf die offenen Immobilienfonds zeigt, dass der Rücknahmepreis der Anteile (ggf. kommt es nach den Vertragsbedingungen bei einer Rückgabe zu einem Rücknahmeabschlag z.B. von 5 %, der dem Sondervermögen zusteht; bewertungsmäßig wäre der Rücknahmepreis vor Abschlag anzusetzen), der bei den Immobilien im Sondervermögen weitgehend gutachtenbasiert ist, in vielen Fällen über dem Börsenkurs liegt. Der Immobilienwert wird durch sog. Bewerter, öffentlich bestellte und vereidigte oder zertifizierte Sachverständige, ermittelt.
Beispiel
Offener Immobilienfonds, Rücknahmepreis 19,70 EUR und Börsenkurs 15 EUR pro Anteil zum Stichtag.
Depotbestand: 5.000 Anteile
19,70 EUR x 5.000 Anteile = 98.500 EUR zum Rücknahmepreis
15 EUR x 5.000 Anteile = 75.000 EUR zum vorrangigen Börsenkurs
Differenz = 23.500 EUR.
Die einschränkenden gesetzlichen Regeln für die Rückgabe der Anteile an die Kapitalverwaltungsgesellschaft (s. § 255 KAGB) dürften nicht allein für den teilweise niedrigeren Börsenkurs ausschlaggebend sein. Der Börsenkurs entsteht nach dem Marktprinzip von Angebot und Nachfrage und gibt daher den Marktwert wieder. Es zeigt sich, dass die gutachtenbasierte Immobilienwerte im Sondervermögen nicht immer vom Markt akzeptiert werden.