In weiter zurückliegenden Jahrzehnten war das Sammeln von Briefmarken und Münzen eine weitverbreitete Leidenschaft. Briefmarken galten als Aktien des "kleinen Mannes". In den letzten Jahren findet ein Wandel dahingehend statt, dass die Briefmarke oder Münze von damals der heute in limitierter Auflage hergestellte Sneaker ist (vgl. Kutscher, Worauf Superreiche setzen: Sneaker und Handtaschen werden zu Luxusobjekten, Tagesspiegel, 2.9.2020; s.a. die Dokumentation in der ARD https://www.ardmediathek.de/video/planet-schule/sneaker-der-grosse-deal-mit-turnschuhen/swr/Y3JpZDovL3BsYW5ldC1zY2h1bGUuZGUvQVJEXzExMjc5X3ZpZGVv). Es werden regelrecht Sammlungen von in begrenzter Stückzahl angefertigten Sneaker aufgebaut, die zum Teil einen beträchtlichen Wert aufweisen (zu Auktionsergebnissen s etwa https://www.christies.com/departments/Sneakers-Streetwear-Collectibles-121-1.aspx). Darüber hinaus werden auch andere exklusive Gegenstände (hochwertige Armbanduhren usw.) gesammelt.
Mit Blick auf den negativen Zins bzw. das Verwahrentgelt bei den Einlagen in den vergangenen Jahren und dem Aufbau einer Aktienanlagekultur bei der Vermögenstruktur stellt sich immer wieder die Frage der Bewertung der Wertpapiere mit Blick auf den Bewertungsstichtag bei der Schenkung- und Erbschaftsteuer. Die Stichtagsproblematik stellt sich auch bei den Kryptowährungen und Token, die oftmals sehr volatil in ihrem Wert sind. Die zwischenzeitlich eingetretene Zinswende, gepaart mit der Energiewende sowie die zusätzlich geforderte Klimaneutralität von Gebäuden wirft weitere Bewertungsfragen auf. Das Stichtagsprinzip als bewertungsmäßige Momentaufnahme birgt die Gefahr einer zu hohen oder zu niedrigen Bewertung in sich (vgl. Neu, Anm. zu FG Köln v. 30.1.2019 – 7 K 1364/17, EFG 2019, 1122–1126; Seer, Ubg 2012, 376–382).
Mit Blick auf die geschlechtliche Selbstbestimmung als Bestandteil der Menschenwürde stellt sich die Frage der Berechnungsmethode des Kapitalwertes von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen in Bezug auf transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Die Problematik liegt zudem mit Blick auf die gesamte LBGT-Gemeinschaft vor.
1. Bewertungsstichtag, Bewertung und Einordnung von Wirtschaftsgütern
Für die Bewertung ist i.d.R. der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) maßgebend (§ 11 ErbStG). Die Bewertung der Wirtschaftsgüter für Zwecke des ErbStG richtet sich nach § 12 ErbStG. Weitgehend wird auf das BewG verwiesen (vgl. Götz in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, 166. Lfg. 8/2023, § 12 ErbStG Rz. 1 ff.). Die Regelungen des BewG enthalten je nach Vermögensart unterschiedliche Bewertungsanknüpfungspunkte, die dargestellt werden und Anlass für Beratungsüberlegungen bieten. Ob ein Bewertungsgleichmaß mit Blick auf das Grundgesetz vorliegt, wird hier aus Raumgründen nicht besprochen (dazu s. die diversen Entscheidungen des BVerfG, z.B. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, ErbStB 2015, 40 [M. Söffing / Thonemann-Micker]).
a) Kollektionen von Luxusgütern
aa) Bewertung
Sammelgegenstände im herkömmlichen Sinne wie etwa Briefmarken bzw. Münzsammlungen werden zum Stichtag mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG angesetzt. In der Regel wird auf Auktionsergebnisse vergleichbarer Stücke abgestellt, auf Bewertungskataloge, Bewertungsapps, Versicherungssummen oder auf ein Gutachten bzw. auf Referenzwerte zurückgegriffen (dazu ausführlich Maier, DB 1994, 655–657; weitere Hinweise sind beim Bund Deutscher Philatelisten e.V. [www.bdph.de] oder der Deutschen Numismatische Gesellschaft e.V., [www.dng-nnb.de], zu finden). Prima facie stellt der Sneaker ein Wirtschaftsgut dar (zur Besteuerung von stationären Händlern und Onlinehändlern, die Sneaker verkaufen, s. ausführlich Brunckhorst, EStB 2021, 485–491, ferner v. Streit, UStB 2023, 116–128, 118; zu digitalen Produkten wie etwa virtuelle Kleidung für Videospiele vgl. https://www.adidas.com/metaverse, zu digitalen Briefmarken zum Sammeln (sog. Non-Fungible Token) vgl. https://www.deutschepost.de/de/k/kryptomarke.html; ferner Farwick / Müller / Spengel, StuW 2023, 219–228). Die Bewertung von in begrenzter Anzahl hergestellten Sneaker richtet sich nach § 9 BewG (vgl. ErbStR R B 9.5). Es ist der gemeine Wert anzusetzen. Im Übrigen gilt dies auch für Sammlungen von anderen Luxusgütern, z.B. wertvollen Handtaschen etc. (zum Merkmal von Luxusgütern unter der Vermögensteuer s. BFH v. 17.5.1990 – II R 181/87, BStBl. II 1990, 710; Bauer, DB 1990, 1750–1752; ferner FG Rheinland-Pfalz v. 24.10.1989 – 2 K 43/88, juris). Die ErbStR sehen in R B 9.5 vor, "[...] (dass) der gemeine Wert von Kunstgegenständen und Sammlungen unter Berücksichtigung der schwierigen Verwertungsaussichten vorsichtig zu ermitteln (ist)".
bb) Beratungsüberlegungen
Von praktischer Bedeutung ist hier die Frage, ob eine Sneakersammlung in die Rubrik Hausrat, Wäsche und Kleidungsstücke nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a bzw. lit. c ErbStG eingeordnet wird oder von ihr nicht erfasst wird. Hierbei ist eine objektivierte Auslegung vorzunehmen (vgl. dazu Curdt in Kapp/Ebeling, ErbStG, 97. Lfg. 8/2023, § 13 Rz. 4 ff.; Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, Stand: 29.9.2023, ...