Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Ein Sachbezug i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch Vereinbarung mit einem Verkehrsbetrieb das Recht zum Erwerb einer vergünstigten Jahresnetzkarte (Jobticket) einräumt, soweit sich dies für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt.
2. Dieser geldwerte Vorteil fließt den Arbeitnehmern mit Ausübung des Bezugsrechts, also dem Erwerb der Jahresnetzkarten, zu.
3. Auf diesen Zeitpunkt ist der Vorteil aus der Verwertung des Bezugsrechts nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten.
Normenkette
§ 42d Abs. 1 Nr. 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 38 Abs. 3 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1, § 8 Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV
Sachverhalt
Arbeitgeberin K vereinbarte mit dem Verkehrsverbund A, Jobtickets auszugeben. Danach konnten die Mitarbeiter des K bei A ermäßigte, auf ihren Namen ausgestellte, nicht übertragbare Jahresnetzkarten gegen einen monatlichen Eigenanteil bei zwingend vorgeschriebenem monatlichen Lastschrifteinzug erwerben. K zahlte dafür an A 6,135 EUR je Mitarbeiter und Monat, das waren bei insgesamt 5.547 Mitarbeitern 408.370 EUR; K hat diesen Betrag nicht dem LSt-Abzug unterworfen. Das FA sah darin einen steuerbaren geldwerten Vorteil von 73,62 EUR (12 × 6,135 EUR) je Arbeitnehmer, der nicht monatlich, sondern sofort und in voller Höhe zufließe und deshalb die monatliche 44-EUR-Freigrenze für Sachbezüge überschreite; es erließ daher gegen K einen entsprechenden Haftungsbescheid. Die Klage dagegen war erfolglos (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.8.2011, 3 K 2579/09, Haufe-Index 2827200, EFG 2012, 180).
Entscheidung
Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Wie schon in den Gutscheinfällen entschieden (BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 41/10, BFH/NV 2011, 486, BFH/PR 2011, 126), gehören vom Arbeitgeber eingeräumte Rechte, bestimmte Sachen oder Dienstleistungen zu ermäßigten Preisen zu beziehen, auch zum Lohn i.S. d § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sofern sie den Arbeitnehmern "für" ihre Arbeitsleistung gewährt werden; dies gilt dann auch für Preisvorteile und Rabatte Dritter (BFH, Urteil vom 18.10.2012, VI R 64/11, BFH/NV 2013, 131 BFH/PR 2013, 48).
1. Hier war Gegenstand der Zuwendung Sachlohn, kein Barlohn. Die Arbeitgeberin hatte ihren Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, bei A verbilligt Jahresnetzkarten zu kaufen. Zugeflossen war der geldwerte Vorteil in dem Zeitpunkt der Ausübung des Bezugsrechts, dadurch erlangten die Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum; wer keine Jahresnetzkarten erworben hatte, hatte keinen Vorteil, denn Ansprüche allein begründen noch keinen Arbeitslohn. Unerheblich für den Zuflusszeitpunkt war, dass die Tickets gekündigt werden konnten sowie dass die Arbeitnehmer ihren eigenen Anteil monatlich zu zahlen hatten. Denn Letzteres betraf die Gegenleistung der Arbeitnehmer und nicht die Leistung des Arbeitgebers. Der Vorteil aus diesem Recht war den Arbeitnehmern auch unabhängig von den arbeitgeberseitigen Zahlungen an A zugeflossen. Die Bewertung war zwar noch offen (vgl. unten 2.), aber die Freigrenze für Sachbezüge dürfte damit trotz möglicher Mengenrabatte überschritten sein (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG: 44 EUR).
2. Vergleichs- und Bewertungsmaßstab für den Vorteil aus der Verwertung des Bezugsrechts ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG der um übliche Preisnachlässe geminderte übliche Endpreis am Abgabeort. Deshalb bemaß sich hier der Vorteil nicht einfach aus dem üblichen Endpreis (Verkaufspreis) einer vergleichbaren Jahreskarte. Denn Jobtickets sind regelmäßig auch ohne Arbeitgeberzuzahlung preisgünstiger als eine Netzkarte im Einzelverkauf; Verkehrsbetriebe geben da typischerweise Mengenrabatte. Deshalb ist nun im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob und in welcher Höhe der Nachlass auf den Normalpreis im Streitfall zum nicht steuerbaren "Mengenrabatt" (üblicher Preisnachlass i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG) der Verkehrsbetriebe gehört. Auf dieser Grundlage ist der Vorteil zu ermitteln.
Zu beachten: Solche von Dritten aus eigenem Interesse eingeräumte Mengenrabatte gehören nicht zum Lohn (BFH, Urteil vom 18.10.2012, VI R 64/11, BFH/NV 2013, 131, BFH/PR 2013, 48).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.11.2012 – VI R 56/11