Leitsatz
Eine Körperschaft kann durch das sog. wissenschaftliche Editieren im sog. Peer-Review-Verfahren und der damit verbundenen Open-Access-Publikation ihren steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck der Förderung von Wissenschaft und Forschung selbstlos (§ 55 AO), ausschließlich (§ 56 AO) und unmittelbar (§ 57 AO) verfolgen.
Normenkette
§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1, § 56, § 57 Abs. 1 Satz 1, § 65 Nr. 3 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der A-gGmbH, die während des Revisionsverfahrens auf die Klägerin verschmolzen wurde. Gesellschaftszweck der A-gGmbH war die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie die Mittelbeschaffung hierfür. Der Zweck sollte insbesondere durch die Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge und Zurverfügungstellung von Techniken zur Informationsfindung verwirklicht werden. Die wissenschaftlichen Beiträge wurden nicht unmittelbar von der A-gGmbH, sondern von der B Limited Liability Company (B) mit Sitz in den USA in dem von B betriebenen Online-Journal als Open-Access-Publikation für die Allgemeinheit kostenlos veröffentlicht. Die Autoren zahlten an B eine Gebühr für die Veröffentlichung. Die A-gGmbH war zu einem Drittel Gesellschafterin der B.
Die A-gGmbH übernahm in diesem Zusammenhang für B die fachliche Prüfung und Freigabe der von den Autoren eingereichten Beiträge im sog. Peer-Review-Verfahren (sog. wissenschaftliches Editieren). Der Editiervorgang vollzog sich in drei Schritten: Im ersten Schritt las der Editor die Arbeit und prüfte, ob wissenschaftliche Mindestanforderungen erfüllt waren und ob die Arbeit anderen Ansprüchen der Zeitschrift genügte. Aufgrund dieser Prüfung entschied der Editor, ob die Arbeit zur fachspezifischen Prüfung an externe Gutachter weitergeleitet oder wegen sachlicher Mängel oder mangelnden wissenschaftlichen Fortschritts an die Autoren zurückgeschickt wurde. Im zweiten Schritt suchte der Editor in der Regel zwei geeignete, unbefangene Gutachter, kontaktierte diese und führte ggf. mit ihnen Diskussionen über die Arbeit. Die Gutachter gingen die Experimente in der Arbeit Schritt für Schritt durch, um zu beurteilen, ob diese korrekt durchgeführt wurden, den gültigen wissenschaftlichen Standards genügten und ausreichend waren, um die Interpretation zu stützen. Im dritten Schritt entschied der Editor auf Grundlage der Gutachten und deren Analyse über das weitere Vorgehen. Er konnte die Arbeit ablehnen, weil sich bei der Begutachtung erhebliche Mängel gezeigt hatten, die nicht durch Überarbeitung zu beheben waren. Er konnte aber auch die Arbeit vorbehaltlich weiterer Verbesserungen oder in seltenen Fällen ohne weitere Überarbeitung durch die Autoren zur Publikation annehmen.
Für ihre Tätigkeit erhielt die A-gGmbH von B eine Vergütung. Neben jährlich festgelegten Gebühren war bei Überschreiten bestimmter Mengengrenzen eine Zusatzgebühr vereinbart. Die A-gGmbH beschäftigte eine wissenschaftliche Editorin in Vollzeit sowie eine Assistentin. Im Lagebericht des Jahresabschlusses 2017 führte die A-gGmbH aus, es beständen Gewinnchancen bei einer Vielzahl zu editierender und durch B zu publizierender Manuskripte.
Das FA erließ u.a. einen KSt-Bescheid sowie einen GewSt-Messbescheid für 2017, in denen es eine Steuerbefreiung der A-gGmbH versagte und unter Zugrundelegung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Jahresfehlbetrags eine KSt und einen GewSt-Messbetrag von jeweils 0 EUR festsetzte. Die u.a. gegen diese Bescheide gerichtete Sprungklage wies das FG ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2019, 10 K 1033/19, Haufe-Index 15037612, EFG 2021, 1513).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache mangels Spruchreife an das FG zurück.
Das FG habe die Selbstlosigkeit unzutreffend verneint, indem es eine Gewinnerzielungsabsicht lediglich daraus abgeleitet habe, dass sich aus eventuellen Gewinnausschüttungen der B an die A-gGmbH Gewinnchancen ergäben und die A-gGmbH eine Zusatzgebühr erhielt, falls bestimmte Mengen an Beiträgen wissenschaftlich zu editieren waren.
Das FG sei zudem unzutreffend davon ausgegangen, dass das wissenschaftliche Editieren als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb Selbstzweck der A-gGmbH gewesen sei. Das wissenschaftliche Editieren sei nicht von dem gemeinnützigen Zweck der A-gGmbH losgelöst gewesen. Die A-gGmbH habe die Allgemeinheit i.S.d. § 52 Abs. 1 AO insoweit gefördert, als sie in der Weise tätig war, dass sie in einem umfangreichen Peer-Review-Verfahren Forschungsergebnisse bewertete und der Veröffentlichung bei B als Open-Access-Publikation zugänglich machte. Kerntätigkeit der A-gGmbH war danach die ihr allein obliegende wissenschaftliche Verantwortung für die Auswahl und Überprüfung der Beiträge auf ihren wissenschaftlichen Gehalt und die Entscheidung, welche Artikel veröffentlicht werden.
Weiter habe das FG die Unmittelbarkeit zu Unrecht verneint. Die A-gGmbH habe ihren eigenen steuerbegünstigten Zweck, die Wissenschaftsförderung, insowe...