aa) Grundsätzliche Voraussetzungen
Soweit nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG und § 3 Nr. 15 GewStG nicht begünstigte Tätigkeiten vorliegen, kann dennoch auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder EFH/ZFH/ETW errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, erfolgen. Insoweit könnte also innerhalb der 10 %-Grenze liegende Vermietung an Nichtmitglieder oder investierende Mitglieder auch gewerbesteuerlich freigestellt werden.
bb) Erfassung von Veräußerungsgewinnen
Die sog. erweiterte Grundstückskürzung i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG -welche grundsätzlich sogar über die reine Vermietung hinaus Veräußerungsgewinne erfasst- erfordert jedoch in zeitlicher Hinsicht, dass die Grundstücksgenossenschaft ihrer ausschließlichen Begünstigungstätigkeit durchgängig während des gesamten Erhebungszeitraums nachgeht, vgl. Gosch in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 161. EL 3/2022, § 9 GewStG Rz. 76. Eine Ausnahme von dieser Strenge macht der BFH allerdings beim Verkauf zum 31.12., 23.59 Uhr, weil es sich bei der "fehlenden" Minute um eine solche "rechtstechnischer" Art handele, ähnlich der sog. juristischen Sekunde, so BFH v. 11.8.2004 – I R 89/03, BStBl. II 2004, 1080, s. dazu Wendt, FR 2004, 1404. Die Verwaltung schließt sich dieser Auffassung in H 9.2. Abs. 1 "Veräußerung des Grundbesitzes" GewStH 2016 an.
cc) Schädliche Überlassung an Gewerbebetrieb eines Genossen
Die Kürzung entfällt jedoch in Gänze, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG. Der Umfang der Beteiligung ist unerheblich, vgl. BFH v. 7.4.2005 – IV R 34/03, BStBl. II 2005, 576, so dass auch eine Bagatellbeteiligung von 1 % eines Gesellschafters oder Genossen schädlich ist, BFH v. 7.8.2008 – IV R 36/07, BStBl. II 2010, 988 = EStB 2009, 955 [Krömker]; Wendt, FR 2006, 556. Unschädlich ist es jedoch, wenn der Gewerbebetrieb des Genossen nicht der GewSt unterliegt bzw. mit seinen gesamten Erträgen von der GewSt befreit ist, so BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, BStBl. II 2007, 893 = EStB 2007, 354 [Wischmann]. Wiederum schädlich ist die Überlassung des Grundbesitzes an eine Mitunternehmerschaft, an welcher der Gesellschafter/Genosse beteiligt ist, BFH v. 24.9.1969 – I 206/64, BStBl. II 1969, 738; BFH v. 18.12.1974 – I R 10/73, BStBl. II 1975, 268; BFH v. 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. II 1999, 168, so dass ein mittelbares Dienen ausreicht zur Schädlichkeit (Nds. FG v. 15.5.1973 – VI E 51/70, EFG 1973, 605; FG Nürnberg v. 12.5.1976 – V 320/75, EFG 1976, 520). Die Anmietung des Grundstücks durch den Genossen von einem "dazwischengeschalteten" Dritten ist ebenso wenig begünstigt, Nds. FG v. 2.3.2006 – 10 K 574/02, EFG 2006, 1691; wurde insoweit durch BFH v. 22.1.2009 – IV R 80/06, BFH/NV 2009, 1279 = GmbHR 2009, 893, zugunsten des FA aufgehoben.
Ein "Dienen" i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG liegt etwa vor bei Vermietung an Arbeitnehmer, BFH v. 18.12.1974 – I R 10/73, BStBl. II 1975, 268, nicht jedoch, wenn lediglich Sicherheiten zugunsten des Gesellschafters am Grundbesitz bestellt werden, BFH v. 17.1.2006 – VIII R 60/02, BStBl. II 2006, 434; s. ausführlich m.w.N. Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl. 2021, § 9 Nr. 1 Rz. 33e.
Das schädliche "Dienen" sieht gleichermaßen keine Bagatellgrenzen vor, so dass auch Überlassungen, die bezogen auf den Zeitraum oder die überlassene Teilfläche geringen Umfang aufweisen, schädlich sind, vgl. BFH v. 8.6.1978 – I R 68/75, BStBl. II 1978, 505; FG Hamburg v. 14.6.1971 – II 214/68, EFG 1971, 598, BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, BStBl. II 2007, 893 = EStB 2007, 354 [Wischmann], letzteres explizit erwähnt in H 9.2. Abs. 4 "Geringfügigkeit des überlassenen Grundbesitzes" GewStH 2016.
dd) Zusammenfassung im Kontext
Im Gesamtzusammenhang dieses Beitrags betrachtet ist festzuhalten, dass die erweiterte Grundstückskürzung i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch bei als Vehikel von Grundbesitz angedachten (insb. Familien-)Genossenschaften für den nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG befreiten maximalen 10 %-Anteil zumindest bei der Gewerbesteuer greifen kann. Sollte eine Überschreitung dieses Anteils durch höhere Fremdvermietung § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG und § 3 Nr. 15 GewStG ausschließen, könnte somit dennoch eine völlige gewerbesteuerliche Freistellung über § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG möglich sein. Dies ist jedoch nicht genossenschaftsspezifisch, sondern für jede Unternehmensform einschlägig, so dass insoweit auf die weiterführende Kommentierung verwiesen wird.