3.1 Zinshöhenschranke wird gestrichen
Im Gesetzentwurf war ein neuer § 4l EStG vorgesehen, der den Zinsabzug eines Unternehmens der Höhe nach beschränken konnte. Diese Zinshöhenschranke wurde gänzlich aus dem Wachstumschancengesetz gestrichen.
3.2 Fremdvergleichsgrundsatz bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3d AStG)
§ 1 Abs. 3d AStG in der Fassung des verabschiedeten Wachstumschancengesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe, aus denen einkünftemindernder Aufwand des Steuerpflichtigen (Finanzierungsempfänger) resultiert, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen sollen. Der Begriff der Finanzierungsbeziehung ist weit gefasst und erfasst neben Darlehensbeziehungen die Nutzung und Bereitstellung von Fremdkapital oder fremkapitalähnlicher Instrumente. Eine multinationale Unternehmensgruppe soll gem. § 90 Abs. 3 Satz 4 AO i. V. m. § 1 Abs. 2 AStG bei mindestens in zwei verschiedenen Staaten ansässigen nahestehenden Personen oder Unternehmen mit mindestens einer ausländischen Betriebsstätte vorliegen.
Die Voraussetzungen nicht-fremdüblicher Finanzierungsbeziehungen i. S. d. § 1 Abs. 3d AStG orientieren sich nicht primär an tatsächlichen fremdüblichen Finanzierungsbeziehungen zwischen Dritten. Die Norm macht eine Fremdüblichkeit von Finanzierungsbeziehungen stattdessen vorranging von Nachweisen des Steuerpflichtigen abhängig. Denn gem. § 1 Abs. 3d AStG sind die betroffenen Finanzierungsbeziehungen nicht fremdüblich,
- wenn der Finanzierungsempfänger nicht glaubhaft machen kann, dass er den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit der Finanzierungsbeziehung von Anfang an hätte erbringen können und die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet oder
- soweit ein seitens des Finanzierungsempfänger zu entrichtender Zinssatz für eine grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehung mit einer ihm nahestehenden Person den Zinssatz übersteigt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte. Im Einzelfall kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass ein aus dem Unternehmensgruppenrating abgeleitetes Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.
3.3 III. Funktions- und Risikoprofil bei Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3e AStG)
Der zweite Teil der Anpassung von § 1 AStG betrifft die Funktions- und Risikoanalyse bei Finanzierungsbeziehungen. Gem. § 1 Abs. 3e AStG stellen Finanzierungsdienstleistungen regelmäßig funktions- und risikoarme Dienstleistungen dar, wenn
- eine Finanzierungsbeziehung von einem Unternehmen gegenüber einem anderen Unternehmen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe vermittelt wird, oder
- eine Finanzierungsbeziehung von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe weitergeleitet wird.
Von diesen Grundsätzen ist auch regelmäßig auszugehen, wenn ein Unternehmen einer Unternehmensgruppe für andere Unternehmen dieser Gruppe die Steuerung von Finanzmitteln, wie etwa ein Liquiditätsmanagement, ein Finanzrisikomanagement, ein Währungsrisikomanagement oder die Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft, übernimmt.
Finanzierungsgesellschaften werden dadurch von § 1 Abs. 3e AStG innerhalb von Unternehmensgruppen pauschal als funktions- und risikoschwache Gesellschaften qualifiziert. Diese pauschalierende Qualifikation gilt allerding nicht, wenn im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse nachgewiesen werden kann, dass keine funktions- und risikoarme Dienstleistung vorliegt.
3.4 Einordnung der Anpassungen von § 1 AStG für Finanzierungsbeziehungen
Die verabschiedeten Anpassungen von § 1 AStG führen im Ergebnis insbesondere zu verschärften Nachweispflichten für Steuerpflichtige. § 1 Abs. 3d EStG scheint langfristige Unternehmensplanungen, dokumentierte Verwendungsabsichten und insbesondere regelmäßige kostspielige Benchmarkanalysen zu fordern. Wenn dies tatsächlich die Voraussetzungen für eine Anerkennung von konzerninternen Finanzierungsbeziehungen in Deutschland werden soll, wird die Attraktivität von Finanzierungen deutscher Konzernunternehmen deutlich gemindert.
§ 1 Abs. 3e AStG qualifiziert pauschalierend Finanzierungsdienstleistungen als funktions- und risikoschwache Leistungen. Liegt tatsächlich ein ausgeprägteres Funktions- und Risikoprofil vor, liegt die Bringschuld wiederum beim Steuerpflichtigen entsprechende Nachweise für eine abweichende Qualifikation zu erbringen.
Neben den neuen Nachweispflichten für Steuerpflichtige, die die Änderungen mit sich bringen, bergen die Änderungen auch Risiken für Doppelbesteuerung. Denn die Anpassungen gehen über OECD-Standards hinaus und sind international nicht abgestimmt.
Ob der Zweck der Änderungen, grenzüberschreitende Gestaltungen auf der Basis von Finanzierungsbeziehungen zu verhindern, die Änderungen und den daraus resultierenden Mehraufwand rechtfertigt, ist fraglich. Denn im deutschen Steuerrecht gibt es bereits eine Vielzahl an Missbrauchsvermeidungsnomen mit gleichem Ziel. Zudem besteht ein international koordiniertes Verrechnungspreissystem, in das nun unilateral eingegriffen wird.