OFD Niedersachsen, Verfügung v. 11.11.2013, S 0130 - 38 - St 142
Allgemein
Berührt ein Auskunftsersuchen die Verhältnisse mehrerer Steuerpflichtiger, so ist vor der Erteilung der Auskunft hinsichtlich jedes einzelnen Betroffenen zu prüfen, ob eine Offenbarung zulässig ist. Ggf. ist jeder einzelne Betroffene um Zustimmung zur Auskunftserteilung zu ersuchen.
Gesamtschuldnerschaft
Begehrt ein Steuerpflichtiger Auskunft über seine Verhältnisse und werden durch dieses Auskunftsersuchen auch die Verhältnisse von Personen berührt, die neben dem Steuerpflichtigen gesamtschuldnerisch (§ 44 AO) zur Entrichtung einer Steuer verpflichtet sind, steht der Auskunft das Steuergeheimnis nicht entgegen.
Denn die Verhältnisse, die die Gesamtschuldnerschaft betreffen, sind gemeinsame Verhältnisse der Gesamtschuldner. Die Mitteilung solcher Verhältnisse an einen der Gesamtschuldner kann, bezogen auf den Zeitraum des Bestehens der Gesamtschuldnerschaft, nicht als Offenbarung der Verhältnisse eines anderen im Sinne des § 30 Abs. 2 AO angesehen werden.
Begehrt ein Dritter, der nicht Gesamtschuldner ist, Auskunft über die Verhältnisse der Gesamtschuld, ist die Zustimmung aller Gesamtschuldner erforderlich, § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO.
Beispiele
Gesamtschuldner sind beispielsweise:
- Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks hinsichtlich der Grunderwerbsteuer
- zusammen veranlagte Ehegatten/Lebenspartner hinsichtlich der Einkommensteuer
Umfang der Offenbarungsmöglichkeit
Nach § 155 Abs. 3 Satz 1 AO können gegen Gesamtschuldner zusammen gefasste Steuerbescheide ergehen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuer im Innenverhältnis nicht von allen Gesamtschuldnern zu tragen ist.
Es ist daher auch zulässig, einen der Gesamtschuldner ohne Zustimmung der anderen über die dem Gesamtschuldverhältnis zugrunde liegenden steuerlichen Verhältnisse zu unterrichten, wie z.B. über Bestehen und Höhe der aus dem Gesamtschuldverhältnis herrührenden Steuerrückstände. Die Offenbarungsbefugnis geht aber nur soweit, wie das Gesamtschuldverhältnis reicht. Zu berücksichtigen ist auch der Zeitraum, in dem die Gesamtschuldnerschaft besteht.
Ehegatten/Lebenspartner als Gesamtschuldner
Aus der Gesamtschuldnerschaft rechtfertigt sich auch die Erteilung von Auskünften über Einkommen und Vermögen eines Ehegatten/Lebenspartners an den anderen auf dessen alleinigen Antrag zur Verwendung in Scheidungs- und Unterhaltsprozessen, soweit es sich um Zeiträume handelt, für die beide Ehegatten/Lebenspartner zusammen veranlagt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anfragende selbst Einkünfte bezogen hat bzw. Vermögen besitzt und ob der andere Ehegatte/Lebenspartner ggf. die geschuldete Steuer selbst entrichtet hat. Die Auskunft ist auf die die Zusammenveranlagung betreffenden Vorgänge beschränkt, z.B. Einkommensteuererklärung und Einkommensteuerbescheid, nicht aber umsatzsteuerliche Vorgänge oder die Gewinnermittlung des anderen.
Klage und Insolvenz eines Ehegatten/Lebenspartners
Haben zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten/Lebenspartner Klage erhoben und ist das einen Ehegatten/Lebenspartner betreffende Verfahren wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen, ist der Insolvenzverwalter berechtigt, vor Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens Akteneinsicht in die – die streitige Steuersache beider betreffende – Steuerakte zu nehmen (BFH-Beschluss vom 15.6.2000, BStBl 2000 II S. 431). Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, den gesamten Prozessstoff einzusehen, der i.S. von § 96 i.V.m. § 78 FGO die Grundlage für die Entscheidung des Finanzgerichts bildet.
Getrennte/Einzel-Veranlagung von Ehegatten/Lebenspartnern
In den Fällen des BMF-Schreibens vom 31.1.2013, BStBl 2013 I S. 70 (zur Ermittlung des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO bei der Einkommensteuer, Ermittlung der Erstattungsberechtigung und der Reihenfolge der Anrechnung in Nachzahlungsfällen) gilt Folgendes: Wenn bei getrennt 1 veranlagten Ehegatten/Lebenspartnern Steuerabzugsbeträge und Zahlungen zugerechnet und aufgeteilt werden, steht das Steuergeheimnis einer Mitteilung aller für die Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen relevanten Besteuerungsgrundlagen nicht entgegen, § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO. Im Regelfall sind auf Antrag daher mitzuteilen:
- Zwischensumme I = Soll (festgesetzte Steuer vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge),
- geleistete und zugerechnete/aufgeteilte Zahlungen,
- Information über eventuelle Tilgungsbestimmungen,
- ggf. die Tatsache, dass noch keine Steuererklärung abgegeben worden bzw. noch keine Steuerfestsetzung erfolgt ist.
Diese Grundsätze sind in den Fällen der Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen in Trennungsfolgejahren, denen eine an beide Partner als Gesamtschuldner gerichtete Vorauszahlungsfestsetzung zugrunde liegt, entsprechend anzuwenden (Nr. 4 des o.g. BMF-Schreibens).
Betriebsübernahme
Wegen der Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme siehe AEAO zu § 75 Nr. 6.
Normenkette
AO 1977 § 30 Abs. 2
AO 1977 § 30 Abs. 4