In der zweiten Stufe werden die Einzelstrafen nicht einfach addiert. Auch stellt die höchste Einzelstrafe nicht automatisch die Gesamtstrafe dar. Vielmehr wird auf die Gesamtstrafe erkannt, indem die höchste Einzelstrafe – die sog. Einsatzstrafe – erhöht wird (§ 54 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO). Diese Vorgehensweise bezeichnet man als Asperationsprinzip.
Sind die Einzelstrafen Freiheitsstrafen, muss die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe mindestens eine Strafeinheit (eine Woche bei unterjähriger Freiheitsstrafe, ein Monat bei Freiheitsstrafe über einem Jahr; vgl. § 39 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO) ausmachen. Andererseits darf die Gesamtfreiheitsstrafe nicht die Summe der Einzelfreiheitsstrafen erreichen, sondern muss zumindest um eine Strafeinheit Freiheitsstrafe niedriger sein als die Summe der Einzelstrafen.
Sind die Einzelstrafen Geldstrafen, muss die Gesamtgeldstrafe um mindestens einen Tagessatz höher als die höchste Einzelgeldstrafe und niedriger als die Summe der Einzelstrafen liegen, wobei bei Geldstrafen allein die Zahl der Tagessätze über die Strafhöhe entscheidet. Innerhalb dieses Rahmens muss der Richter die Gesamtstrafe nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen (vgl. Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 369 AO Rz. 128). Die Gesamtstrafe darf nicht etwa in der Weise gebildet werden, dass zunächst die Einzelstrafen addiert werden und dann deren Summe gemindert wird (BGH v. 12.4.1994 – 4 StR 74/94, StV 1994, 424). Ohnehin ist der BGH einer Mathematisierung der Strafzumessung entgegengetreten (BGH v. 25.8.2010 – 1 StR 410/10, wistra 2011, 19 = NStZ 2011, 32; zu den in der FinVerw. entwickelten Strafmaßtabellen vgl. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1075 ff. [Oktober 2019]; Esskandari / Bick, AO-StB 2013, 154 [158]; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rz. 1893 ff.; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort "Strafzumessung bei Steuerhinterziehung" Rz. 33 [Januar 2021]).
Wenn in einem Verfahren für verschiedene Taten teils Geldstrafe(n) und teils Freiheitsstrafe(n) verhängt werden, entspricht ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe (§ 54 Abs. 3 StGB). Es wird dann im gesetzlichen Regelfall auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt, weil dies die Konsequenz des Asperationsprinzips ist, nämlich die ihrer Art und Höhe nach schwerste Strafe zu erhöhen (§ 53 Abs. 2 S. 1 StGB).