1. Findung der Einzelstrafen
Die Gesamtstrafe wird zweistufig gebildet. Zunächst muss für jede einzelne materiell-rechtliche Tat (z.B. der Steuerhinterziehung oder der Steuerhehlerei) auf eine Einzelstrafe erkannt werden. Es wird lediglich die Gesamtstrafe in den Urteilstenor (§ 268 Abs. 2 S. 1 StPO) aufgenommen; die Einzelstrafen werden nur in den Entscheidungsgründen (§ 267 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 StPO) aufgeführt (Sternberg-Lieben / Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2020, § 54 Rz. 19 m.w.N.). Aus den Urteilsgründen muss allerdings klar ersichtlich sein, welche Einzelstrafe für welche Tat verhängt wurde (BGH v. 12.6.2006 – 5 StR 165/06, wistra 2006, 467).
Mindeststrafe – Höchststrafe: Bei der Zumessung der Einzelstrafen ist – abgesehen von dem Strafrahmen, den das betreffende Strafgesetz (z.B. § 370 Abs. 1 AO) vorgibt – § 38 Abs. 2 StGB zu beachten: Die Strafe darf höchstens 15 Jahre und muss mindestens einen Monat betragen. Zudem schreibt § 47 Abs. 1 StGB vor, dass kurze (Einzel-)Freiheitsstrafen, also solche unter sechs Monaten, nur verhängt werden, wenn besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters (z.B. wegen zahlreicher Vorstrafen) die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (sog. ultima-ratio-Klausel). Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB sind nicht erst bei der Bemessung der Gesamtstrafe, sondern für jede Einzelstrafe zu prüfen (OLG Bdb. v. 26.2.2009 – 1 Ss 10/09, NStZ-RR 2009, 209; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 47 Rz. 8).
Besonders schwerer Fall: Auch die Frage, ob ein besonders schwerer Fall gegeben ist (etwa nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO bei Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß und somit von über 50 000 EUR) ist für jede Einzeltat gesondert zu beurteilen und führt jeweils zur Festlegung einer Einzelstrafe (BGH v. 5.2.2004 – 5 StR 580/03, wistra 2004, 185; v. 12.1.2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; Schauf in Kohlmann, § 370 AO Rz. 1099.3 [Oktober 2019]; Rolletschke in Rolletschke/Kemper in Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1100 [Mai 2015]; Meyer in Gosch, AO/FGO, § 370 AO Rz. 287 [August 2011). Gleichwohl darf bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen und nicht erst bei der Zumessung der Gesamtstrafe der verursachte "Gesamtschaden" in den Blick genommen und straferhöhend berücksichtigt werden (BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221 = wistra 2009, 355 = NStZ 2009, 510; v. 22.5.2012 – 1 StR 103/12, wistra 2012, 350 = NZWiSt 2012, 299; v. 29.11.2011 – 1 StR 459/11, wistra 2012, 151 = NZWiSt 2012, 112; Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1103 [Mai 2015]).
2. Geldstrafe neben Freiheitsstrafe
Ausnahmsweise kann eine Einzelstrafe bereits aus einer Freiheitsstrafe und daneben einer Geldstrafe bestehen (§ 41 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO). Von dieser Möglichkeit kann das Gericht Gebrauch machen, wenn der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat und wenn es unter Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angebracht ist, ihn auch an seinem Vermögen zu treffen (zum Erfordernis der Schuldangemessenheit der Gesamtreaktion vgl. BGH v. 24.8.1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 67 = NJW 1984, 2170; Stree / Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 41 Rz. 8; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 41 Rz. 4; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort "Geldstrafe" Rz. 8 [April 2016]). Da eine Bereicherung des Täters oder zumindest dessen darauf gerichteter Wille gerade in Wirtschaftsstrafsachen häufig gegeben ist, dürfte § 41 StGB eine vorzugswürdige Strafe in schweren Fällen von Wirtschaftskriminalität darstellen, um vermögende Täter empfindlich zu treffen (gl.A. Schützeberg in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 369 AO Rz. 62 [Dezember 2013]; Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1074 [Mai 2015]; ferner Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 41 Rz. 3). Die Vorschrift des § 41 StGB hat allerdings nach Gesetzeswortlaut und -systematik Ausnahmecharakter (Kühl in Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 41 Rz. 1).
Kumulation von Geldstrafe und Einziehung: Fraglich ist, ob für § 41 StGB dann noch Raum ist, wenn bei objektiv eingetretener Bereicherung des Täters die Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertersatzes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB) angeordnet worden ist. Man wird dies nicht generell verneinen können; jedoch bedarf eine solche Kumulation ausführlicher und sorgfältiger Begründung. So kann bei gleichzeitig angeordneter Einziehung die kumulative Verhängung von Geld- und Freiheitsstrafe sinnvoll sein, wenn die Freiheitsstrafe nach § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt wurde (gl.A. Heintschel-Heinegg in v. Heintschel/Heinegg, BeckOK/StGB, § 41 Rz. 14 [Mai 2021]). Denn bei einem profitorientierten Täter läge ansonsten ein wirtschaftliches "Nullsummenspiel" vor, wenn er einerseits nicht spürbar sanktioniert würde und andererseits lediglich seine kriminell erlangten Erträge auszahlen müsste (vgl. auch O...