Zusammenfassung
Im Wirtschaftsleben werden täglich eine Vielzahl von Verträgen geschlossen, Kündigungen erklärt oder Testamente errichtet. All diesen Rechtsgeschäften ist gemeinsam, dass sie wirksam nur von Personen vorgenommen werden können, die geschäftsfähig sind. Unsere Rechtsordnung überlässt es im Rahmen der Privatautonomie dem Einzelnen seine privaten Rechtsbeziehungen selbst zu gestalten. Damit verbunden ist aber die Verantwortung für die Bedeutung seiner Erklärungshandlungen. Um zu gewährleisten, dass Erklärungen nur denjenigen Personen zugerechnet werden, die ein Mindestmaß an Urteilsvermögen und Einsichtsfähigkeit besitzen und zu einer vernünftigen Willensbildung im Stande sind, schützt das Gesetz geschäftsunfähige und nur beschränkt geschäftsfähige Personen vor den Folgen ihrer Erklärungen. Dieser Schutz genießt Vorrang vor dem Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs. Voraussetzungen der Geschäftsfähigkeit, Folgen des Fehlens der Geschäftsfähigkeit und Ausnahmefälle sollten besonders beim Abschluss wichtiger Verträge beachtet werden.
1 Bedeutung
Jeder Mensch ist von seiner Geburt an rechtsfähig, kann also Träger von Rechten und Pflichten sein. Die Rechtsfähigkeit sagt indessen nichts darüber aus, ob er diese Rechte und Pflichten auch selbst ausüben bzw. wahrnehmen kann. Diese Fähigkeit wird für den Bereich des Zivilrechts mit dem Begriff der Geschäftsfähigkeit umschrieben. Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte durch eigenes Handeln vollwirksam vornehmen zu können. Die Geschäftsfähigkeit ist Wirksamkeitsvoraussetzung für alle Rechtsgeschäfte. Sie kommt nach der Rechtsordnung nicht jedem Menschen zu.
Das Gesetz unterscheidet drei Stufen der Geschäftsfähigkeit:
- Die volle Geschäftsfähigkeit beginnt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres und wird vom Gesetz als Normalfall angenommen.
- Die beschränkte Geschäftsfähigkeit wird für Kinder bzw. Jugendliche zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr angenommen.
- Die Geschäftsunfähigkeit liegt grundsätzlich bei Kindern unter 7 Jahren und bei denjenigen Erwachsenen vor, die schwere geistige Störungen aufweisen.
Der Geschäftsfähigkeit entspricht im öffentlichen Recht die Handlungsfähigkeit und im Prozessrecht die Prozessfähigkeit einer Person, wobei für die Beschränkung dieser Fähigkeiten teilweise Abweichungen gegenüber den Regelungen für die Geschäftsfähigkeit gelten.
Wer geschäftsunfähig ist, muss nicht gleichzeitig auch schuldunfähig im Sinne des Strafrechts sein!
2 Geschäftsunfähigkeit
Geschäftsunfähig ist nach § 104 BGB
- wer das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unabhängig vom Stand seiner geistigen Entwicklung,
- wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach vorübergehend ist.
2.1 Kinder unter 7 Jahren
Kinder, die das 7. Lebensjahr nicht vollendet haben, sind grundsätzlich geschäftsunfähig. Sie können nach deutschem Recht in einem Rechtsgeschäft gleich welcher Art nur als Bote tätig werden, sie übermitteln also auch bei Alltagsgeschäften nur eine Willenserklärung ihres gesetzlichen Vertreters. Letzteres können die Eltern oder ein alleinsorgeberechtigter Elternteil oder ein Vormund sein.
2.2 Altersunabhängige Geschäftsunfähigkeit bei dauerhafter Störung der Geistestätigkeit
Personen, bei denen das Gesetz altersunabhängig Geschäftsunfähigkeit annimmt, sind diejenigen, die sich dauerhaft in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, der die freie Willensbestimmung ausschließt. Hierzu gehört sowohl die Geisteskrankheit als auch die Geistesschwäche. Gleichgültig ist, unter welchen medizinischen Begriff die Störung fällt. Besteht Geschäftsunfähigkeit, kann der Geschäftsunfähige nur durch einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter wirksam handeln. Hieraus darf allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass jeder, der einen Betreuer hat, auch geschäftsunfähig ist (siehe dazu Tz. 5).
Geschäftsunfähigkeit wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit liegt nur vor, wenn diese Störung die freie Willensbestimmung dauerhaft ausschließt. Die krankhafte Störung muss Dauerzustand sein und darf nicht nur vorübergehender Natur sein. Ein solcher Dauerzustand ist auch bei heilbaren Störungen gegeben, sofern die Behandlung längere Zeit beansprucht, nicht aber bei Störungen, die in Abständen periodisch auftreten. Bei wochenlanger Bewusstlosigkeit nach einem Unfall kann von einem derartigen Dauerzustand ausgegangen werden. Für solche gesundheitlichen Notsituationen hat der Gesetzgeber zum 1.1.2023 das Notvertretungsrecht des Ehegatten eingeführt. § 1358 BGB ermöglicht die zeitlich begrenzte Vertretung des jeweils anderen Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge, wenn dieser aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit, z.B. aufgrund eines komatösen Zustands nach einem schweren Unfall, nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich zu besorgen, er also insbesondere seinen Willen nicht äußern kann.
In lichten Augenblicken, während einer dauerhaft vorlieg...