Leitsatz
Dem Großen Senat wird gem. § 11 Abs. 2 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters – sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach – durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz?)FA zu treffen?
Normenkette
§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 , § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 , § 182 Abs. 1 AO 1977
Sachverhalt
Die verheirateten Kläger haben Einkünfte aus Beteiligungen an verschiedenen Grundstücksgesellschaften erzielt, die auf der Ebene dieser Gesellschaften jeweils als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden sind. Nach Veräußerung der vier im Gesamthandvermögen der Gesellschaften befindlichen Grundstücke durch die Kläger ging das FA davon aus, dass die Einkünfte der Kläger aus den verschiedenen Grundstücksgesellschaften im Rahmen der Einkommensbesteuerung der Kläger wegen eines von ihnen betriebenen gewerblichen Grundstückshandels in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren seien. Es setzte deshalb die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Berücksichtigung der umzuqualifizierenden Einkünfte, insbesondere unter Minderung der verbleibenden Verlustabzüge fest. Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt. Im Streitfall fehle es sowohl an einem von dem FA als für die persönliche Besteuerung der Kläger zuständigen FA erlassenen Einkünftezuordnungsbescheid als auch an einer auf der Grundlage eines solchen Bescheids vorgenommenen Einkünfteermittlung des FA als ebenfalls für die Grundstücksgesellschaften zuständigen Gesellschafts-FA.
Entscheidung
Nach Auffassung des IX. Senats sind die streitigen Einkünfte erst in einem Folgebescheid auf der Ebene des Beteiligten als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren. Dafür spreche schon der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 2. Halbsatz, soweit sie die Beteiligung an "den Einkünften" betreffe und damit die nämlichen Einkünfte der von der Personenmehrheit verwirklichten Einkunftsart meine.
Die gegenteilige Auffassung des III. Senats führe zu einer Verkomplizierung des Feststellungsverfahrens und widerspreche dem Zweck der Vorschriften über die gesonderte und einheitliche Feststellung, im Interesse der Steuerverwaltung ein ökonomisches Verfahren zu gewährleisten (vgl. BFH, Urteil vom 10.9.1957, I 294/56 U, BStBl III 1957, 414). In der Praxis würden nämlich die notwendigen Angaben reibungslos und unaufgefordert durch das Gesellschafts-FA übermittelt und könnten ggfs. durch Auskunftsersuchen gegenüber Beteiligten (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO) oder Außenprüfungen nach § 193 Abs. 2 Nr. 2, § 194 Abs. 2 AO 1977 ermittelt werden. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen sei allenfalls theoretischer Natur; auch divergierende gerichtliche Entscheidungen wegen abweichender Zuständigkeiten seien durch wechselseitige Beiladungen vermeidbar. Die nach dem Vorlagebeschluss erforderliche Gewinnermittlung durch den betrieblich beteiligten Gesellschafter sei diesem auch als Kommanditist gesellschaftsrechtlich möglich, weil er die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsichtnahme der Bücher und Papiere prüfen dürfe sowie Einsichts? und Auskunftsrechte nach §§ 810, 713, 666, 259, 242 BGB habe.
Schließlich führe die Auffassung des III. Senats dazu, dass den Gesellschaftern der vermögensverwaltenden Personengesellschaft persönliche Besteuerungsmerkmale des betrieblich Beteiligten bekannt würden, obwohl diese weder das Gesellschaftsverhältnis der vermögensverwaltenden Personengesellschaft noch deren Gesellschaftszweck berührten, so dass insoweit eine Verletzung des Steuergeheimnisses zu besorgen sei.
Hinweis
Einkünfte einer nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft, die eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt und an der mehrere Gesellschafter gemeinschaftlich beteiligt sind, werden gesondert und auch einheitlich festgestellt (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO). Darüber hinaus enthält § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 keine ausdrückliche Regelung, ob die gesonderte und einheitliche Feststellung Angaben zur Art und zur Höhe des Gewinns eines betrieblich an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschafters enthalten muss.
Nach der Rechtsprechung des III. Senats des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 10.12.1998, III R 61/97 BStBl II 1999, 390; Beschluss vom 13.12.1999, III B 15/99, BFH/NV 2000, 827 m. w. N.; zustimmend BFH-Beschluss vom 4.11.1999, XI B 25/99, BFH/NV 2000, 306) ist über das "ob" der Umqualifizierung vom Gesellschafter-FA im Steuerbescheid für den Gesellschafter zu entscheiden und über das "wie" der Umqualifizierung (d.h. über die Höhe der umzuqualifizierenden Einkünfte) vom Gesellschafts-FA im Feststellungsbescheid für die Gesellschaft. Beide Bescheide stehen danach zueinander in wechselseitiger Abhängigkeit als jeweilige Grund- und Fol...