§ 97 Abs. 1b Satz 4 BewG sieht vor, dass Anteile an Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung besonderer Regelungen, die sich auf den Wert des Anteils auswirken, zu berücksichtigen sind. Das Gesetz nennt als Beispiel einer solchen besonderen Regelung eine abweichende Gewinnverteilungsabrede. Die Nennung ist nicht abschließend, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt (vgl. Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, 5. Aufl. 2021, § 97 Rz. 63a). Die Finanzverwaltung nennt als weiteres Beispiel eine Abrede zur abweichenden Verteilung des Liquidationserlöses (H B 97.6 ErbStH 2019). Die Berücksichtigung solcher besonderen Abreden steht jedoch wiederum unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BewG, wonach "ungewöhnliche persönliche Verhältnisse" bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen sind und zu diesen persönlichen Verhältnissen auch Verfügungsbeschränkungen zählen (Abs. 3).

Nicht erfasst sind dem Wortlaut des § 9 BewG nach u.a. Stimmrechtsbeschränkungen und Thesaurierungspflichten. Die Literatur möchte zwar auch Stimmrechtsbeschränkungen und Thesaurierungspflichten von der Bewertung ausnehmen (Eisele in: Rössler/Troll, BewG, Stand: 33. EL 1/2021, § 97 Rz. 36). Dies kann jedoch mit Blick auf den Wortlaut der einschlägigen Normen keinesfalls als gesicherte Rechtslage gelten.

Insofern besteht Streitpotential. Dies gilt umso mehr für ältere Gesellschaftsverträge, da § 97 Abs. 1b Satz 4 BewG erst durch das StÄndG 2015 (v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834) mit Wirkung zum 1.1.2016 eingeführt wurde. Soweit der Gesellschaftsvertrag vor Inkrafttreten dieser Änderung beschlossen wurde, kann der mit dem Abfindungsergebnis unzufriedene Gesellschafter anführen, dass er der Berücksichtigung besonderer Regelungen mit dem Verweis auf das BewG a.F. nicht zugestimmt hatte.

Beraterhinweis Es bietet sich für Gesellschafter, die eine rechtssichere Abfindungsklausel gestalten wollen an, § 97 Abs. 1b Satz 4 abzubedingen oder, wenn entspr. gesellschaftsvertragliche Sonderrechte oder Pflichten vereinbart sind, die Anwendung dieser Vorschrift im Abfindungsfall individuell zu modifizieren.

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