Leitsatz
1. Ein verbleibender Spendenvortrag für eine Vermögensstockspende nach § 10b Abs. 1a EStG ist erstmals zum Schluss des Veranlagungszeitraums des Zuwendungsjahres gesondert festzustellen (§ 10b Abs. 1a Satz 4 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG). Dieser Bescheid hat für die nachfolgenden Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10b Abs. 1a EStG Bindungswirkung.
2. Das Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit des Folgebescheids ist gemäß § 74 FGO regelmäßig auszusetzen, wenn ein Grundlagenbescheid über die gesonderte Feststellung des Spendenvortrags nach § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG erst noch erlassen werden muss.
3. Soll das rechtliche Eigentum an einem Grundstück auf eine Stiftung übergehen, erlangt diese regelmäßig zu dem Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück, der in dem auf Übertragung des Eigentums gerichteten notariellen Vertrag für den Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten vorgesehen ist, wobei eine rückwirkende Bestimmung dieses Zeitpunkts einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist.
Normenkette
§ 10b Abs. 1a, § 10b Abs. 1, § 10b Abs. 3 Satz 1, § 10d Abs. 4 EStG in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung, § 74 FGO, § 171 Abs. 10, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 81, § 311b BGB
Sachverhalt
Die Kläger wurden in den Streitjahren 2005 bis 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie errichteten mit dem Ehepaar B im Jahr 2001 eine gemeinnützige Stiftung.
Ausweislich eines privatschriftlichen Stiftungsgeschäfts wandten die Kläger und das Ehepaar B der Stiftung am 11.7.2001 ein Grundstück zu. Die Stiftung, die 2001 genehmigt und 2002 vorläufig als gemeinnützig anerkannt wurde, erteilte den Klägern eine Zuwendungsbestätigung über die Zuwendung ihrer Miteigentumsanteile an dem Grundstück und bescheinigte auch, dass die Zuwendung anlässlich der Neugründung der Stiftung in deren Vermögensstock erfolgt sei.
Weil das Stiftungsgeschäft und die Übertragung des Grundstücks auf die Stiftung zunächst lediglich in schriftlicher Form erfolgt waren, erklärten die Stifter im Jahr 2003 die Auflassung vor einem Notar. In der notariellen Urkunde wurde darauf hingewiesen, dass das Grundstück schon mit Wirkung zum 11.7.2001 übertragen werde. Der Besitz, die Nutzungen, die Gefahr des zufälligen Untergangs und alle öffentlichen und privaten Lasten seien bereits durch den privatschriftlichen Einbringungsvertrag übergegangen.
Die Kläger beantragten erstmals für 2005 sowie außerdem für 2006 und 2007 die anteilige steuerliche Berücksichtigung dieser Vermögensstockspende. Das FA lehnte dies ab, weil das Grundstück der Stiftung nicht im Jahr ihrer Gründung zugewandt worden sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt (FG des Saarlandes, Urteil vom 20.7.2016, 2 K 1281/10, Haufe-Index 11246137).
Entscheidung
Die Revision des FA war begründet. Da das FG das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt hatte, obwohl die nötige gesonderte Feststellung eines Spendenvortrags gemäß § 10b Abs. 1a Satz 4 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG nicht durchgeführt worden war, lag ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor. Das Urteil wurde aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Nach § 10b Abs. 1a Satz 1 EStG in der bis Ende 2006 geltenden Fassung konnten auf Antrag des Steuerpflichtigen Zuwendungen i.S.d. § 10b Abs. 1 EStG, die anlässlich der Neugründung in den Vermögensstock einer Stiftung geleistet wurden, im Jahr der Zuwendung und in den folgenden neun Veranlagungszeiträumen bis zu einem Betrag von 307.000 EUR neben den als Sonderausgaben i.S.d. § 10b Abs. 1 EStG zu berücksichtigenden Zuwendungen und über den nach § 10b Abs. 1 EStG zulässigen Umfang hinaus abgezogen werden.
2. Dabei ist zu beachten, dass über die Verweisung in § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG auf § 10d Abs. 4 EStG ein noch nicht verbrauchter Spendenvortrag zum Ende des Veranlagungszeitraums gesondert festzustellen ist. Dieser Feststellungsbescheid nach § 10b Abs. 1a Satz 4 EStG bindet die folgenden Einkommensteuerfestsetzungen hinsichtlich des Grundes und der Höhe der steuerlichen Berücksichtigung einer Vermögensstockspende innerhalb des gesetzlichen Verteilungszeitraums von maximal zehn Jahren. Hiervon unberührt bleibt – anders als beim Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG – das Wahlrecht des Steuerpflichtigen, innerhalb dieses Verteilungszeitraums jeweils über das "Ob" und die Höhe seines Sonderausgabenabzugs zu entscheiden.
3. Will der Steuerpflichtige seine Spende in den Vermögensstock einer Stiftung nicht nach der allgemein für Spenden geltenden Norm des § 10b Abs. 1 EStG, sondern nach den spezielleren Regelungen gemäß § 10b Abs. 1a EStG als Sonderausgabe berücksichtigen, muss bereits auf Antrag des Steuerpflichtigen auf den Schluss des Veranlagungszeitraums des Zuwendungsjahres – und nicht erst später – eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Spendenvortrags...