Leitsatz
1. Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind.
2. Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes erfolgt gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben. Inhaltsadressaten der Feststellung sind die Miterben, für deren Besteuerung der Grundbesitzwert von Bedeutung ist.
3. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten.
Normenkette
§ 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1 AO, § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2, § 154 Abs. 1 BewG
Sachverhalt
Kläger sind die Ehefrau (Klägerin zu 2.) und die Söhne des 2009 verstorbenen Erblassers sowie die aus den Erben bestehende Erbengemeinschaft. Auf die beim FA eingereichte Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes für ein zum Nachlass gehörendes Grundstück stellte das FA durch Bescheid vom 26.5.2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer den Grundbesitzwert fest; den Grundbesitz rechnete das FA der Erbengemeinschaft zu. Den Bescheid gab das FA der Klägerin zu 2. als Empfangsbevollmächtigte für die "O.-Erbengemeinschaft" mit dem Zusatz bekannt, der Bescheid ergehe "mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft und alle Miterben."
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Der Bescheid enthalte mangels namentlicher Benennung der Erben keine hinreichende Bestimmung der Inhaltsadressaten und sei daher nichtig (FG Münster, Urteil vom 29.5.2013, 3 K 4298/11 F, Haufe-Index 5337230, EFG 2013, 1634).
Entscheidung
Der BFH ist dieser Beurteilung gefolgt. Mit dem Hinweis im Feststellungsbescheid, dieser ergehe für und gegen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft, ist der Bestimmung des Inhaltsadressaten nicht genügt. Es fehlt die namentliche Bezeichnung der einzelnen Miterben. Die Revision des FA wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Die Entscheidung präzisiert die Anforderungen an die erforderliche Bestimmtheit eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einer Erbengemeinschaft.
1. Unverzichtbarer Bestandteil jedes Verwaltungsaktes ist die hinreichend bestimmte Angabe des Inhaltsadressaten (d.h. desjenigen, gegen den sich der Verwaltungsakt richtet, für den er bestimmt ist und gegenüber dem er wirken soll). Es muss unzweifelhaft feststehen, gegenüber wem der Einzelfall geregelt werden soll. Ist der Inhaltsadressat nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig. Eine Heilung dieses Mangels in der Einspruchsentscheidung ist nicht möglich.
2. Dies gilt auch für einen Feststellungsbescheid. Dieser muss ebenso wie ein Steuerbescheid genau und eindeutig den Feststellungsbeteiligten erkennen lassen, für den er inhaltlich bestimmt ist. Feststellungsbeteiligter ist regelmäßig derjenige, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist.
3. Bei einem Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) für Zwecke der Erbschaftsteuer ist Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwertes der Erbe, für dessen Besteuerung die Feststellung des Grundbesitzwertes von Bedeutung ist.
Bei einer Erbengemeinschaft soll der Feststellungsbescheid für die durch die Erbengemeinschaft vertretenen Miterben eine Bindungswirkung hinsichtlich der Art der wirtschaftlichen Einheit, des festgestellten Wertes sowie der Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit entfalten (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BewG). Gleichwohl sind Inhaltsadressaten allein die Miterben, und zwar auch dann, wenn die Feststellung gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben erfolgt. Ohnehin sind die Miterben als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer auch am Feststellungsverfahren beteiligt (vgl. § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG).
4. Daraus folgt für die Bestimmtheitsanforderung eines Grundbesitzwert-Feststellungsbescheids bei mehreren Miterben: Dem Bescheid muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten. Die einzelnen Miterben sind namentlich zu bezeichnen. Dabei ist ausreichend, wenn sich die Beteiligten zwar nicht aus dem Adressfeld, wohl aber aus dem weiteren Inhalt des Bescheids (etwa einer Anlage, Erläuterungen oder Prüfungsbericht) ergeben. Ist diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Bescheid nichtig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.9.2015 – II R 31/13