Eine als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO zu beurteilende unangemessene Gestaltung liegt vor, wenn sich gegenläufige Geschäfte, zwischen denen ein Veranlassungszusammenhang besteht, in ihren wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen neutralisieren und sie sich in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis lediglich als formale Maßnahme darstellen. Die bloße Schaffung eines Betriebsausgabenvolumens zur Gewinnverrechnung in Ermangelung eines tatsächlichen wirtschaftlichen Verlustes aus den Geschäften (sog. "Null-Summen-Spiel") stellt eine unangemessene Gestaltung i.S.d. § 42 AO dar, die gegen die gesetzlichen Wertungen des § 4 Abs. 4 EStG verstößt. Liegt ein konzernübergreifender Gesamtplan vor, sind die Geschäfte in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung konzernübergreifend zu betrachten und im Hinblick auf einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch zusammenfassend zu beurteilen.
Bei wechselseitigen Verträgen ist eine Gestaltung regelmäßig bereits dann unangemessen, wenn die gewählte Gestaltung von vornherein nur kurzfristig angelegt war oder in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist. Das ist z.B. der Fall, wenn die Beteiligten durch zivilrechtlich mögliche Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungsverpflichtungen begründen, damit aber ihre jeweilige Position weder tatsächlich noch wirtschaftlich verändern. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, ist per se unangemessen und kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.
Im entschiedenen Streitfall fehlte es den Geschäften der Steuerpflichtigen durch die gegenläufig wirkenden Schuldverschreibungen im wirtschaftlichen Gesamtergebnis an einer finanziellen Auswirkung, da sich die Geschäfte gegenseitig ausglichen. Durch die Veräußerung einer Schuldverschreibung, woraus die Steuerpflichtige 60 Mio. EUR verloren hatte, sowie die Wandlung einer anderen Schuldverschreibung in Anteile an dieser Gesellschaft und deren anschließende Veräußerung, die wiederum zu einem Gewinn von 60 Mio. EUR führte, entsteht auf der Ebene der Steuerpflichtigen ein wirtschaftlich neutrales Ergebnis. Am Ende standen alle Konzerngesellschaften wirtschaftlich so, wie sie ohne die Geschäfte mit den Schuldverschreibungen gestanden hätten (Hess. FG v. 21.10.2020 – 4 K 1644/18, EFG 2021, 669, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 83/20).