Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 1 AO kann trotz Vorliegens einer speziellen Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S.d. § 42 Abs. 1 S. 2 AO gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige die Missbrauchsvorschrift selbst missbraucht, um einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil zu erlangen. Das FG München kommt zu dem Ergebnis, dass die Verlagerung von eigentlich dem Bereich der Abgeltungsteuer unterfallenden Verlusten in den Bereich der tariflichen ESt durch Einschaltung einer für diesen Zweck gegründeten GmbH (sog. Bondstripping) rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO ist.

Das FG ist der Überzeugung, dass die Gründung und Zwischenschaltung der GmbH in die Veräußerung der Stammrechte keinen anderen Zweck hatte als den, die durch die Veräußerung der Anleihemäntel nach der Berechnung des Steuerpflichtigen erzielten Verluste – anders als die dem Abgeltungssteuersatz unterliegenden errechneten positiven Einkünfte aus der Veräußerung der Zinsscheine – in den Anwendungsbereich der dem allgemeinen Steuertarif unterliegende Einkünfte zu verlagern und zum Ausgleich seiner erheblichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu verwenden.

Im Streitfall machte der Steuerpflichtige von der spezialgesetzlichen Umgehungsvorschrift in einer Weise Gebrauch, die sich als Missbrauch der Missbrauchsvorschrift charakterisieren lässt. Denn nur durch die Zwischenschaltung der GmbH und dem Verkauf der Anleihemäntel an die GmbH (nach der Trennung der Wertpapiere in Stammrecht und Zinsscheine) erreichte er einen Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen neben einem Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine (FG München v. 20.10.2020 – 12 K 3102/17, EFG 2021, 459, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VIII R 30/20).

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