Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Liegt das primäre Ziel einer Fondsgestaltung in der Generierung von Verlusten, kann dies einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO darstellen.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte in 2008 freie Liquidität in ihrem Unternehmen. Sie entschied sich für eine Anlage in X-Fonds, die von einer Bank angeboten wurden. Nach dem Anlagekonzept wurden bis zu 20 % des Fondvermögens in zinsbringende Wertpapiere angelegt, mindestens 80 % zum Erwerb von "Zero Strike Call Optionsscheinen". Bei diesen Optionsscheinen wird das Aktienrisiko vollständig durch ein entgegenlaufendes Termingeschäft abgesichert. Der Ertrag aus dem Optionsschein sollte dem Wert der Zinsen der Wertpapiere entsprechen. Aus der Perspektive des Investors sollten dabei Aktiengewinne des Fonds dem Investor ein negatives steuerpflichtiges Einkommen vermitteln, das zur Verrechnung mit positiven Einkünften zur Verfügung stand. Beispielhaft wurde in dem Prospekt eine Berechnung abgedruckt, nach der bei einem Steuerbilanzgewinn sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen ergab. Nach der Veräußerung der Anteile erklärte die Klägerin steuerfreie Veräußerungsgewinne nach § 8b KStG i.V.m. § 8 InvStG. Das Finanzamt erkannte die Steuerfreiheit nicht an. Es führte aus, es läge ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vor. Hiergegen wandte sich die Kläger im Einspruchs- und Klageverfahren. Sie erklärte, sie habe die Anlage in den Fonds deshalb bezweckt, um freie Liquidität anzulegen. Es sei nicht vorwerfbar, wenn ein Steuerpflichtiger dies besonders steuersparend vornehme. Die Anwendbarkeit des § 8b KStG schließe eine Anwendung des § 42 AO aus. Zudem sei hier auch § 15b EStG nicht anwendbar, da die Regelung des § 8 Ab. 7 InvStG erst 2010 in das Gesetz aufgenommen worden sei.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht des FG lag hier ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vor. Sofern die steuerfreien Veräußerungsgewinne nicht bereits auf der Ebene des Fonds mit ebenfalls angefallenen Veräußerungsverlusten zu saldieren sind, sei eine weitere steuermindernde Berücksichtigung ausgeschlossen. Ein Missbrauch i. S. des § 42 AO liege vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die bei dem Steuerpflichtigen oder einem Dritten zu einem nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und hierfür keine außersteuerlichen Gründe nachgewiesen werden. Hier liege der Gestaltungsmißbrauch darin begründet, dass der größte Teil des Fondsvermögens für die Geschäfte eingesetzt würde, der zwar das Aktienrisiko absichere, aber keine auch keinen wirtschaftlichen Vorteil erziele. Stattdessen würden die Kosten der Termingeschäfte die Rendite schmälern. Ziel sei es vielmehr primär gewesen, beim Verkauf der Fondanteile realisierte Verluste mit positiven Einkommen zu verrechnen. Außersteuerliche Gründe für diese Gestaltung seien nicht nachgewiesen. Die Anwendung des § 42 AO sei hier auch nicht durch Spezialgesetze ausgeschlossen.
Hinweis
Der Sachverhalt betrifft sicherlich einen Sonderfall. Allerdings bietet die Entscheidung Anlass, sich einmal mit der Anwendung des § 42 AO auseinander zu setzen. Dabei bestimmt die Grundregel des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO schlicht, dass durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgegangen werden kann. Gerade diese Allgemeinheit der Aussage, die dann nur bedingt in weiteren Regelungen konkretisiert wird, macht die Bestimmung aber in der praktischen Rechtsanwendung so schwierig (siehe etwa Schwarz, AO, § 42 AO Tz. 1ff.). Handhabbar wird die Regelung erst unter Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen, die alle Steuerarten betreffen können (siehe hierzu Schwarz, AO, § 42 AO Tz. 94ff.). Im hier entschiedenen Sachverhalt wurden dabei steuerliche Regelungen des Körperschaftsteuerrechts und des Investmentsteuerrecht in der Weise eingesetzt, um auf der Ebene der Fondsgesellschaft steuerfreie Gewinne zu generieren und auf der Ebene der Kapitalgesellschaft Verluste aus der Veräußerung zu schaffen. Doch ist dies gleich als ein Missbrauch anzusehen? Meines Erachtens ist die Regelung des § 42 AO keine Norm, die dafür geschaffen wurde, um jedes steuerlich missliebige Ergebnis im Sinne der Finanzverwaltung gerade zu biegen. Insofern wäre hier eine andere Entscheidung denkbar und wünschenswert gewesen, um den Anwendungsbereich des § 42 AO möglichst eng zu ziehen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 01.11.2012, 6 K 382/10