Wird eine Rückstellung für Gewährleistungsverpflichtungen gebildet, kann der Kaufmann/Unternehmer zwischen einer
- Einzelrückstellung oder
- Pauschalrückstellung
wählen. Für Sonderbelastungen aus einzelnen Aufträgen muss eine Einzelrückstellung gebildet werden. Gleichwohl kann für den Rest der Aufträge noch eine Pauschalrückstellung gebildet werden.
Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten erfordert u. a., dass der Schuldner am Bilanzstichtag ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht insoweit dagegen nicht aus.
Eine Ernsthaftigkeit der Inanspruchnahme setzt bei privatrechtlichen Schadensersatzansprüchen entweder die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen oder zumindest dessen unmittelbar bevorstehende Kenntniserlangung voraus. Dies gilt unabhängig von der Rechtsgrundlage, ob also ein Schadensersatzanspruch auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage beruht.
4.1 Für eine Einzelrückstellung muss der Schaden eintreten
Eine Einzelrückstellung ist nur möglich für die bis zum Bilanzstichtag bekannt gewordenen Gewährleistungsfälle. Diese sind im Rahmen einer Einzelrückstellung zu bewerten. Wurde der Werkmangel durch den Besteller bis zum Bilanzstichtag noch nicht gerügt und beruhte dies maßgeblich darauf, dass der (objektiv angelegte) Mangel bis zu jenem Stichtag noch keine erkennbare betriebsbeeinträchtigende Wirkung entfaltete und hatten folglich die Vertragsbeteiligten noch keine Kenntnis vom Mangel, liegt es nahe, dass der Werkunternehmer am Bilanzstichtag noch nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zur Gewährleistung rechnen musste.
Hierfür werden die Kosten (Aufwand), die erforderlich werden, um den Gewährleistungsanspruch zu erfüllen, zugrunde gelegt.
Der Unternehmer trägt die Feststellungslast für steuerentlastende Tatsachen mit der Folge, dass eine Rückstellung in der Bilanz nicht zulässig ist, wenn die von ihm behaupteten Umstände nicht feststellbar sind.
Maßgebend sind die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag. Preissteigerungen, die nach dem Bilanzstichtag bis zum Erfüllungstag zu erwarten sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. Dies ändert nichts an der bisherigen Rechtsprechung des BFH, sodass nach wie vor an der Stichtagsbewertung festgehalten wird.
Ausgehend vom Stichtagsprinzip liegt die Ursache für Preis- und Kostensteigerungen, die erst nach dem Bilanzstichtag zu erwarten sind, in der Zukunft, wonach das Stichtagsprinzip durch ihre Berücksichtigung eingeschränkt wird. In Zukunft zu erwartende Preis- und Kostensteigerungen mindern die Leistungsfähigkeit am Bilanzstichtag (noch) nicht. Insofern würde durch ihre Berücksichtigung Aufwand, der (nur) für künftige Perioden zu erwarten ist, vorweggenommen. Künftig zu erwartende Preis- und Kostensteigerungen können daher steuerlich nicht berücksichtigt werden. Grund dafür ist nicht der Faktor "Zeit" als solcher, sondern die am Bilanzstichtag noch nicht vorliegende wirtschaftliche Verursachung der erst in Zukunft zu erwartenden Preis- und Kostensteigerungen.
Zwar ist handelsrechtlich nach dem durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) neu gefassten § 253 Abs. 1 Satz 2 des HGB der Erfüllungsbetrag anzusetzen. Diese mit Einführung des Abzinsungsgebots in § 253 Abs. 2 HGB vorgenommene Gesetzesänderung gilt jedoch für die Steuerbilanz nicht. Denn insoweit schreibt die gleichzeitig eingeführte Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG ausdrücklich vor, dass die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag ohne Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen maßgebend bleiben.