Leitsatz
1. Für die Zuordnung eines gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsguts zum fiktiven Anlage- oder Umlaufvermögen wird bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung das Eigentum des Mieters oder Pächters voraussetzungslos fingiert.
2. Die Kurzfristigkeit der Anmietung einer Immobilie oder ein häufiger Wechsel angemieteter Immobilien und deren unterschiedliche Größe und Nutzbarkeit stehen der Annahme fiktiven Anlagevermögens bei dem Mieter nicht entgegen.
Normenkette
§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG, § 247 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Für die von ihr im Auftrag von Künstlern veranstalteten Konzerte mietete die klagende KG im Streitjahr 2009 Theater, Konzertsäle, Stadien und Arenen meist für einen Tag, ausnahmsweise aber auch für bis zu acht Tage an. Einzelne Objekt wurden häufig (bis zu 61-mal), andere nur selten (z.B. ein- oder viermal) angemietet.
Das FA war der Auffassung, die verausgabten Mieten seien dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.5.2011, 10 K 290/10, Haufe-Index 2762735).
Entscheidung
Der BFH wies auch die Revision des Konzertveranstalters ab. Für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut fiktives Anlagevermögen i. S. d. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG sei, werde die Eigentümerstellung voraussetzungslos fingiert. Deshalb komme es auch bei kurzfristiger Anmietung und besonders wertvollen Wirtschaftsgütern zur Hinzurechnung der verausgabten Miete.
Hinweis
1. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG verfolgt ebenso wie die anderen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG den Zweck, Fremdkapitalkosten aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage zu entfernen, um eine einheitliche Bemessungsgrundlage für mit Fremd- und Eigenkapital finanzierte Unternehmen zu schaffen. Wenn von Mieten für unbewegliche Wirtschaftsgüter heute ein Achtel in die Summe dieser Hinzurechnungen eingeht, soll dieser Betrag den Zinsanteil in der Miete oder Pacht repräsentieren.
2. Miet- und Pachtzinsen werden nur für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens hinzugerechnet. Damit ist gemeint, dass die Güter Anlagevermögen wären, wenn sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden.
Zur Ausfüllung dieser Fiktion gibt es zwei unterschiedliche Ansatzpunkte:
- Einerseits die Unterstellung, dass der Mieter bzw. Pächter Eigentum erworben hätte, und
- andererseits die Prüfung, ob der Mieter unter Berücksichtigung des Marktes und den konkreten wirtschaftlichen Bedingungen Eigentum erworben hätte, wenn er das Wirtschaftsgut nicht hätte mieten können.
Würde man den zweiten Ansatz wählen, käme es in weit weniger Fällen zu fiktivem Anlagevermögen als bei der bloßen Unterstellung des Eigentumserwerbs.
3. Durch das BFH-Urteil vom 25.10.2016 (I R 57/15, BFH/NV 2017, 288, BFH/PR 2017, 119) konnte der Eindruck entstehen, der BFH werde sich generell für den zweiten Ansatz entscheiden und damit etwa die Hinzurechnung bei kurzfristigen Anmietungen oder bei Anmietungen von einzigartigen Immobilien allgemein ablehnen. Dieser Eindruck wäre falsch, wie die hier besprochene Entscheidung zeigt. Die Eigentümerstellung wird vielmehr voraussetzungslos fingiert.
a) Im Sachverhalt des Urteils I R 57/15 ging es um ein Dienstleistungsunternehmen, das im Auftrag des Bundes oder eines Bundeslandes Gemeinschaftsstände auf Messen im Ausland einrichtete, auf denen Unternehmen zu günstigen Bedingungen Präsentationen durchführen konnten.
Dazu schloss der Dienstleister nach Erteilung eines Durchführungsantrags im eigenen Namen Ausstellerverträge mit der jeweiligen Messegesellschaft ab, deren Bestandteil auch die Anmietung von Hallenflächen war.
Die anteiligen Mieten waren nach Meinung des BFH nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnen, weil die Hallenflächen kein fiktives Anlagevermögen des Dienstleistungsunternehmens waren. Wegen der "Zufälligkeit der konkreten Auswahlentscheidung des Auftraggebers" sei nicht davon auszugehen, dass das Unternehmen entsprechende Flächen ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb vorgehalten hätte, urteilte der I. Senat des BFH damals.
b) Im hier entschiedenen Fall organisierte der Konzertveranstalter ebenfalls jeweils nur im Auftrag von Künstlern Konzerte und mietete hierfür ebenfalls Veranstaltungsräume an. Hier gehörte es aber gerade zu den Aufgaben des Konzertveranstalters, die geeigneten Veranstaltungsräume auch selbst auszusuchen und anzumieten. Entscheidend dafür war damit nicht die "Zufälligkeit der konkreten Auswahlentscheidung des Auftraggebers", sondern die eigene Auswahlentscheidung des Konzertveranstalters.
c) Dass einige der vom Konzertveranstalter angemieteten Immobilien einzigartig und nicht verkäuflich waren und evtl. genau deshalb als geeignet angesehen wurden, hielt der BFH nicht für entscheidungsrelevant.
Ebenfalls nicht von Bedeutung war auch die Häufigkeit oder Dauer der Anmietung. Selbst die Miete für einen Veranstaltungsraum, der nur einmal und nur für einen Tag angemietet wurde, ist nach Meinung des BFH in die Hinzurechnung einzubezieh...