Leitsatz
§ 2 Abs. 2 Satz 4 GewStG und § 14 Abs. 2 KStG in der Fassung des Unternehmenssteuer-Fortentwicklungsgesetzes (UStFG) entfalten rückwirkende Kraft nur insoweit, als sie für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sind. Ist dies nicht der Fall, können auch neue Gesetze die Bindungswirkung von Beschlüssen des BFH im Revisionsverfahren nicht beseitigen, wenn der Rechtsstreit zurückverwiesen wird. Scheidet der vorletzte Gesellschafter einer Willensbildungs-GbR aus, so prägt der verbleibende Gesellschaft im Umfang seiner Beteilung die Unternehmensidentität im Verlustentstehungsjahr. Maßgeblich ist bei verfassungskonformer Interpretation der vorgenannten rückwirkend geltenden Gesetze die früher geltende Vorschrift des § 10a Gewerbesteuergesetz (entgegen BMF, Schreiben v. 26.8.2003, BStBl 2003 I S. 437, Tz 20).
Sachverhalt
Die Klägerin und die A-AG schlossen sich zu der T-GbR zusammen, um gegenüber der T-AG einen einheitlichen Willen bilden zu können. Die T-AG befand sich zu 75% im Besitz der Klägerin und zu 25% der A-AG. Bei der T-AG waren gewerbesteuerliche Verluste in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages (DM) aufgelaufen. Später übernahm die Klägerin die Anteile der A-AG an der T-AG und verschmolz schließlich die T-AG auf ihr eigenes Unternehmen. Das Finanzamt erkannte die Unternehmensidentität nach Verschmelzung nicht mehr an und damit die vorgetragenen Gewerbeverluste. In einem ersten Rechtszug hat der BFH im Urteil vom 9.6.1999 (BFH, Urteil v. 9.6.1999, I R 43/97, BStBl 2000 II S. 695) dass bei sog. Willensbildungs-GbRs, die einen einheitlichen Beherrschungswillen gegenüber den Organgesellschaften sicherstellen soll, als Organträger die hinter dieser GbR stehenden Gesellschafter zu sehen seien. der BFH hat damit seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, die sich auch in den Gewerbesteuerrichtlinien A 14 Abs. 6 GewstR 1998 niedergeschlagen haben. Der BFH folgte damit der gesellschaftsrechtlichen Literatur und wollte für das Steuerrecht keine Abweichung mehr hinnehmen. Um die nötige Feststellung treffen zu können, hat der BFH das Verfahren an das Finanzgericht zurück gewiesen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber im UStFG auch für Sachverhalte vor 2002 die rückwirkende Anwendung der alten Rechtslage gesetzlich angeordnet. Das Finanzgericht hatte nun erneut über den Fall zu entscheiden. Diesmal allerdings im Hinblick darauf, ob das Gericht an die Entscheidung des BFH in dieser Sache gebunden ist, obwohl mittlerweile das Gesetz gerade im Hinblick auf diese Sachverhaltsgestaltung mit rückwirkender Kraft geändert wurde.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat die Klage auf Anerkennung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrages für begründet erachtet. Das Gericht stellt zunächst fest, dass es in dieser Sache grundsätzlich an das Urteil des BFH gebunden ist. Etwas anderes gilt nur, wenn sich zwischenzeitlich das zugrunde liegende Gesetz geändert hat. Genau dies sieht das Gericht zwar als gegeben an, begrenzt aber die zulässige Rückwirkung der Gesetzesänderung auf das verfassungsrechtlich Zulässige. Das Gericht stützt sich dabei auf den Gedanken des Vertrauensschutzes: Wenn Steuerpflichtige auf gewerbesteuerliche Dispositionen getroffen hätten, die rückwirkend geändert würden, so gehe das schutzwürdige Vertrauen in die Dispositionen gegenüber der echten Rückwirkung der Gesetzesänderung vor. Verfassungskonform sei daher die Gesetzesänderung im UStFG dahin auszulegen, dass sie sich nur zugunsten von Steuerpflichtigen auswirken könne. Im übrigen bejaht das Finanzgericht wie im ersten Rechtszug die Identität der ursprünglichen Gesellschaften mit der verschmolzenen Gesellschaft. Die bei der Organgesellschaft aufgelaufenen Verluste seien daher gewerbesteuerlich den beherrschenden Gesellschaften zuzurechnen. Die Bestandskraft der entsprechenden Bescheide dieser Gesellschaften wird durch ein rückwirkendes Ereignis durchbrochen.
Weiter wurde ein ähnlich gelagerter Sachverhalt entschieden, in dem mehrere GmbHs zur Willensbildung eine GbR gründeten und die später auf den Mehrheitsanteilseigner verschmolzen wurden.
Hinweis
Vor dem bahnbrechenden Urteil des BFH aus dem Jahr 1999 waren mehr Mütter-Organgesellschaften nur anerkannt, wenn die beteiligten Gesellschaften sich zu einer Willensbildungs-GbR zusammengeschlossen haben. Dies war ein steuerrechtlicher Sonderweg, da das Gesellschaftsrecht die Mehrmütter-Beherrschung anerkannt hat. Der BFH wich dann von seiner früheren Rechtsprechung ab und befand die Konstruktion einer Willensbildungs-GbR als gekünstelt. Tatsächlich sei ein Verlust bei den beherrschenden, aber eben mehreren Organträgern angefallen und entsprechend ihrer Beteiligung aufzuteilen. Was folgte war ein Musterbeispiel von gesetzgeberischer Hyperaktivität. Um entgegen der neuen BFH-Rechtsprechung die alte gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtslage wieder herzustellen, hat der Gesetzgeber im UStFG dies rückwirkend vorgeschrieben. Ob damit allerdings nur Sachverhalte, die sich zu Ungunsten von Steuerpflichtigen ausgewirkt ...